Im Podcast „Das war der Bauernkrieg“ dreschen öffentlich-rechtliche Sendeanstalten auf Müntzer und Engels ein

Bloß keine Revolution!

Runden sich historische Ereignisse, dann bringt das immer auch eine Neuauflage von Betrachtungen mit sich: Sachbücher, Tagungen, Zeitungsartikel, auch mal ein Film, Roman oder Comic und – in der heutigen Zeit kaum noch wegzudenken – Podcasts.

So ergeht es im Moment auch dem Bauernkrieg, der sein 500. Jubiläum feiert. Der Aufstand gegen Adel und Klerus, der nach und nach Teile Deutschlands erfasste, übt bis heute eine Faszination aus, der sich auch diejenigen nicht entziehen können, die von Revolutionen sonst eher wenig halten. Das hat in Zusammenarbeit von „Mitteldeutschem Rundfunk“, „Bayerischem Rundfunk“ und „Südwestrundfunk“ nun zu einem Podcast geführt, bei dem Hörvergnügen höchst zweifelhaft ist.

Unter dem Titel „Das war der Bauernkrieg“ widmen sich vier Folgen des ARD-Podcasts „Alles Geschichte“ der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland. Dass es eine Revolution war, wissen die Autoren lieber nicht. Trotzdem können sich die ersten drei Folgen (Autor: Michael Zametzer) durchaus hören lassen. Unter den Titeln „Der große Aufruhr“, „Die Blutspur des Bauernjörg“ und „Das Ende des Regenbogens“ kann man der Geschichte des Bauernkriegs im Groben folgen. Vom Auslöser des Aufstands gegen die Knechtschaft, als Graf von Lupfen am 23. Juni 1524 den Befehl erlassen hatte, die Bauern mögen ihre Ernte unterbrechen, um für die Gräfin Schneckenhäuser und Waldbeeren zu sammeln, über den als Bauernjörg bekannten Schlächter Georg Truchsess Freiherr zu Waldburg, die Memminger Artikel, in denen die aufständischen Bauern ihre Forderungen darlegten, und die Verwicklungen von Götz von Berlichingen in den Aufstand der Bauern, erfährt man einiges Wissenswertes, das vielleicht in Vergessenheit geraten war.

Handwerklich ist das hervorragend gemacht. Sprecherin Meike Rötzner führt als Erzählerin durch den Podcast, vorangetrieben wird die Geschichte durch O-Töne, Zitate von Akteuren der Zeit (zum Verständnistest am Anfang auch mal im originalen Frühneuhochdeutsch), von Historikern und denjenigen, die heute an den Orten der Geschehnisse leben. Zudem gibt es einen eigens für den Podcast produzierten Sound, der von Vogelgezwitscher über Musik bis Schlachtengetümmel dafür sorgt, dass der Podcast wie ein Hörbuch klingt.

Doch dann geht es bergab, denn in „Das Ende des Regenbogens“ betritt ein Akteur die Bühne, der den Podcastmachern nicht passt: der Prediger Thomas Müntzer. Und so muss man hören, dass Müntzer ein religiöser Fanatiker war, und möchte sich schon abwenden, wäre man nicht neugierig auf Teil 4. „Was war und was bleibt?“ fragt hier Autor Stefan Nölke. Und kann sich mal so richtig über die DDR empören. Da benennen die einfach Schulen nach Müntzer (religiöser Fanatiker!) und überhaupt fanden die Nazis den Bauernkrieg doch auch gut. Und wie kann man nur „Des Geyers schwarzer Haufen“ singen? Ihm entgeht die Ironie, wenn er seine Sprecherin sagen lässt, dass das Bauernkriegs-Buch des Nazi-Historikers Günther Franz „in leicht bereinigter Form“ Standardwerk in der BRD blieb. Aber da hatte der Bauernkrieg ja auch nicht so einen Stellenwert.

Anders in der DDR, wo sich Geschichtswissenschaft, Kunst und Politik mit der frühbürgerlichen Revolution beschäftigten.

Und wer war schuld daran? „Friedrich Engels’ Buch über den Bauernkrieg begründete eine geschichtspolitische Saga, die allerdings erst knapp 100 Jahre später mit der Gründung der DDR ihre volle Wirkung entfalten sollte.“ Um Engels zu diskreditieren, lässt Stefan Nölke Thomas Müntzer über die Klinge springen: „Auf Engels geht auch eine geradezu absurde Überhöhung des thüringischen Predigers Thomas Müntzer zurück … heutzutage gehört diese Interpretation in den Bereich der politischen Phantasieliteratur.“ Und so darf der Leiter des Stadtarchivs Mühlhausen, Helge Wittmann, erklären, dass Müntzers Einfluss nur klein war.

Aber was bleibt wirklich? Die Erkenntnis, dass es losgeht, wenn die unten nicht mehr wollen. Und dass es gutgehen kann, wenn die da oben nicht mehr können. Und dass unsere Enkel es besser ausfechten werden.

Alles Geschichte – Der History-Podcast
Das war der Bauernkrieg
4 Folgen à 30 Minuten
Abrufbar in der Audiothek der ARD und überall, wo es Podcasts gibt

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"Bloß keine Revolution!", UZ vom 16. Mai 2025



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