Ein Reisebericht von Claudia Gabrian

Cuba sí – bloqueo no!

Claudia Gabrian

Wo fange ich an, über unsere Reise zu schreiben? Natürlich beim 1. Mai. Viva primero mayo! Es lebe der 1. Mai!

Wir waren auf dem Plaza de la Revolución. Das Ereignis: ein einmaliges Erlebnis.

Über eine halbe Million Kubanerinnen und Kubaner! Uns wurde gesagt, es waren weniger als sonst. Warum? Weil viele nicht nach Havanna kommen konnten wegen der US-Blockade: zu wenig Sprit, zu wenig Busse.

Deswegen haben wir viele vorsintflutliche Vehikel gesehen, zum Beispiel Pferdefuhrwerke. In einer Zweieinhalb-Millionen-Stadt im 21. Jahrhundert. Alles Auswirkungen der über sechs Jahrzehnte dauernden Blockade.

Wie berührend diese 1.-Mai-Manifestation war – wie zum Trotz gegen all das Unrecht.

Unglaublich, wie die Kubaner dort auftraten: Jede Menge Plakate, viele selbst gemacht, Transparente, Fahnen, Fähnchen – Viva cuba! Viva Fidel! Viva Che! Viva la revolución! Viele trugen Bilder von Fidel oder Che mit sich.

Eine alte Frau im Rollstuhl, liebevoll geschoben – von wem? Vielleicht nicht von ihrem Sohn, dafür von einem Sozialarbeiter, von denen es viele gibt in den Stadtteilen, Dörfern, Provinzen des Landes? Die kümmern sich auch um die seitlich Umgeknickten, die niemanden (mehr) haben, der sie zum primero mayo mitnimmt.

Denn junge, gut ausgebildete Menschen verlassen Kuba, fallen auf die Verheißungen des Kapitalismus rein. Sie hoffen auf ein besseres Leben woanders, auf mehr Geld und mehr Konsum. Das ist ein großes Problem für Kuba: Kinder und Jugendliche bekommen dort alles an Ausbildung, was geht – und zwar kostenlos! Aber dann fehlen die Zutaten zu einem vermeintlich guten Leben. In Kuba fehlt es an allem, was ein gutes Leben ermöglicht.

Die Blockade durch die USA und andere imperialistische Staaten verursacht einen „schleichenden Genozid“, wie die UNO festgestellt und immer wieder verurteilt hat. Wenn eine an Diabetes erkrankte Frau kein Insulin bekommt, weil es einfach keins gibt aufgrund von Sanktionen verschiedenster Art, wird diese Frau vor der Zeit sterben. Das ist von den USA so gewollt. Damit muss endlich Schluss sein. Cuba sí – bloqueo no!

Aber die Welt schaut weg. Wir, die wir hier mit elf Leuten aus linken, kommunistischen Kreisen für zwei Wochen zu Besuch sind – wir schauen nicht weg. Wir sehen ganz genau hin und bekommen ein volles Programm an Veranstaltungen, Diskussionen und Begegnungen geboten. Wir lernen ganz unterschiedliche Orte kennen und bekommen die Möglichkeit, uns ein eigenes Bild zu machen von dieser kleinen sozialistischen Insel, die mit ihren elf Millionen Einwohnern doch die größte der Karibik ist.

UZ und „Cuba Libre“ ermöglichen uns diese Reise, wofür wir sehr dankbar sind. Wir können Kuba und seine Realität nicht nur erleben, sondern auch spüren, schmecken (Noch nie habe ich so leckere Mangos gegessen!) und hören.

Was wir hören und erleben, hat mit der bürgerlichen Berichterstattung nichts zu tun. Unsere Gesprächspartner von ICAP, PCC, „Granma“ et cetera freuen sich über unseren Besuch, über unsere Solidarität mit Kuba. Die ist für uns selbstverständlich. Einige von uns setzen sie sogar seit Jahrzehnten praktisch um: durch Spenden, Hilfen beim Aufbau eines Kinderkrankenhauses, Sendung von Medikamenten, Hygieneartikeln, Schulmaterialien.

Diese Solidarität mit Kuba gibt es überall auf der Welt. Sehr beeindruckend die Kuba-Freunde aus den USA, aus Südafrika, Frankreich, Mexiko und Palästina, die am 1. Mai und bei einer Solidaritätsveranstaltung von internationalen Gewerkschaften bunt, lautstark und kreativ auftraten: Hands off Cuba! Viva Cuba! Free Palestine!

Welch eine Ehre, dass auch unsere kleine Abordnung dabei sein durfte. Und wie verrückt ist das denn – der kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel erwähnt uns sogar in seiner Rede und bedankt sich vor den etwa 900 Teilnehmern dieser Veranstaltung für die Solidarität der DKP, der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und der AG Cuba Sí der Partei „Die Linke“!

Unglaublich berührend: Voller Empathie, Liebe und Kampfgeist haben die 900 Anwesenden dem Präsidenten dieser kleinen, gebeutelten sozialistischen Insel ihren Respekt gezollt und Kuba ihre Solidarität bekundet. Cuba sí! Bloqueo no! Viva Cuba! Viva la revolución!

Díaz-Canel spricht davon, dass Kuba sich einfach nur in Ruhe entwickeln will, dass den Kubanern ein Leben in Würde und Frieden zusteht. Warum wollen die USA dieses Land vom Erdboden verschwinden lassen? Er fragt: Woher kommt so viel Hass und Gewalt gegen Kuba? Für wen sollte von diesen Menschen eine Gefahr ausgehen? Kuba will einfach nur seinen eigenen Weg gehen, sonst nichts.

Aber dieser Weg ist den USA ein Dorn im Auge. Warum?

Die USA haben Kuba auf der Liste so genannter „Terror unterstützenden Länder der Welt“ gesetzt. Sie wollen es ausbluten, aushungern, die Wirtschaft ruinieren, bis nichts mehr übrig bleibt. Woher dieser abgrundtiefe Hass?

Meine Gedanken dazu sind ganz einfach.

Che Guevara, Fidel Castro und all die anderen Kämpfer für ein freies Kuba haben sich auf die Seite des Volkes gestellt und ein Beispiel dafür gegeben, wie man der Sklaverei, der Ausbeutung, der Knechtschaft, dem Hunger und der Armut entkommt. Sie haben mit der Revolution von 1959 US-amerikanische Großkonzerne wie ITT Inc. und andere enteignet. Sie haben die Großgrundbesitzer davon gejagt, und „deren“ Land den kubanischen Bauern übergeben. Allen voran Fidel Castro selbst: Er enteignete als erstes seine eigene Familie, die sehr reiche Großbauern waren. Innerhalb von zwei Jahren war Kuba alphabetisiert. Jedes Kind erhielt täglich einen halben Liter Milch.

Fidel und Che haben sich nicht abgesetzt oder abgehoben von ihrem Volk. Das werden ihnen die Kubanerinnen und Kubaner nie vergessen!

Bis heute lebt diese Revolution vom Volk für das Volk weiter. Und genau davor hat die US-Bourgeoisie Angst: Vor der Identifikation der Kubaner mit ihren Idealen von Freiheit, Sozialismus und Solidarität.

„Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker!“ – Che wusste, wovon er sprach.

Und diese Solidarität der Völker könnte Schule machen, könnte die Hegemonie der USA in Frage stellen. Könnte!

Anfänge davon gibt es: Das Staatenbündnis BRICS zum Beispiel.

Das muss natürlich mit allen Mitteln verhindert werden. Deshalb über 300 Mordanschläge auf Fidel Castro. Deshalb Krieg gegen Kuba, von Anfang an. Dazu Sanktionen, Handelskrieg und Wirtschaftsblockade – bis heute. Unfassbar und ein Wunder, dass Kuba bis jetzt überlebt hat. Viva Cuba!

Wozu die USA fähig sind, brauchen wir in unseren Kreisen nicht weiter zu beleuchten, wir wissen es: Vietnam, Irak, Afghanistan, Palästina …

Auf unserer kleinen Rundreise durch Kuba haben wir Orte der Revolution kennengelernt, Orte des Kampfes, des Gedenkens, des Erinnerns.

Wir waren im Museum von Girón, wo die Schlacht in der Schweinebucht stattfand, die viele Tote forderte. Dort nahmen einst die berühmten Worte von Fidel Castro ihren Lauf: „Patria o muerte!“ – „Vaterland oder Tod!“ Noch immer ist die Parole an vielen öffentlichen Plätzen und Fassaden zu lesen.

Wir waren in Santa Clara im Museum und Mausoleum von Che Guevara, der als junger Mensch von 39 Jahren in Bolivien ermordet wurde, weil er seinen Kampf für das kubanische Volk für andere unterdrückte Völker fortsetzen wollte. Seine über 60-jährige Tochter Aleida lebt ein bescheidenes Leben in Kuba.

Wir haben tolle und neue Projekte der Gegenwart kennengelernt, mit denen Staat, Städte und Provinzen den Kubanern ein Leben ohne Angst und Not, ein Leben in Würde bieten wollen. Wir besuchten eine Schule und haben uns die Kinderklinik Rosa Luxemburgo angesehen, die 2002 mithilfe der DKP aufgebaut wurde. Wir waren zu Besuch im Hause einer Künstlerfamilie in einem Viertel Cienfuegos. Dort haben sie ganze Häuserfassaden kreativ bemalt.

Im Erfahrungsaustausch, in den vielen verschiedenen Begegnungen und Gesprächen, auch über die Schattenseiten der Realität auf Kuba, wurde zumindest mir immer wieder deutlich, dass die mörderische US-Blockade die Hauptursache für all die Probleme ist.

Wir haben Auswirkungen davon live mitbekommen, haben Stromausfälle erlebt, mehrfach. Für uns nicht schlimm, aber als Bestandteil des Alltags? Zermürbend, und doch bewundernswert, wie damit umgegangen wird.

Ein Beispiel: Während einer Führung durch eine Kaffeefabrik fiel der Strom aus, und damit die Produktion. Da geht man flexibel ran: Bei vollem Lohnausgleich geht es eben dann weiter, wenn es wieder Strom gibt – und wenn das nachts ist.

Die Abhängigkeit von Strom und Sprit und deren Ausfälle ist zur Zeit so hautnah erfahrbar, dass man als Tourist erstaunt ist, wie relativ entspannt die Menschen damit umgehen. Aber auf die Dauer macht das was mit jedem Einzelnen, demotiviert. Wie lange halten sie all das noch durch? Wie lange hält Kuba noch durch?

Eine bange Frage, die uns alle umtreibt. Vorerst gibt es auf viele Fragen keine Antworten.

Was wir von unseren Gastgebern mit auf den Weg bekommen: Bitte sagt, wie es ist. Sagt die Wahrheit, entgegen der bürgerlichen Berichterstattung, vor allem aus den USA. Wir brauchen eure Solidarität, wir brauchen eure Unterstützung!

Wenn wir dann, zurück in unseren wohltemperierten und funktionierenden Wohnungen und Büros, über die Bahn meckern, vergleichsweise luxuriös und auf hohem Niveau, dann werden wir das vielleicht mit etwas mehr Demut tun, uns an unsere Reise nach Kuba erinnern und wissen, wer mit den wirklich harten Realitäten zu kämpfen hat. Und mehr Kampfeslust gegen Kapitalismus und Ausbeutung bei uns wäre auch eine gute Sache!

Tolle kubanische Frauen haben diese Reise geprägt, von einer nehme ich mit: Wenn die Kubanerinnen und Kubaner selbst ihrem Land weiter vertrauen und hoffen, dass sie es schaffen, dann tue ich das auch.

Viva Cuba!

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