Die öffentliche Anhörung, bei der sich der Verteidigungsausschuss am Montag mit dem „Wehrdienst-Modernisierungsgesetz“ befasste, glich einem dystopischen Lehrstück. Mehr als zwei Stunden Zeit hatten die geladenen „Sachverständigen“ – überwiegend Militärs in Uniform oder Kriegstreiber in Zivil – um Ratschläge zur Kriegsertüchtigung junger Menschen zu erteilen.
„Was tun wir, auch in diesem Hause, wenn in zwei Jahren ein Krieg ausbricht und die Bundeswehr nicht kämpfen kann?“, fragte der „Militärhistoriker“ Sönke Neitzel in die Runde. Der Entwurf für das neue Wehrdienstgesetz: aus seiner Sicht „ein weiteres Dokument des Zögerns und Zauderns“.
Der von der AfD benannte ehemalige General Joachim Wundrak bezeichnete die Aussetzung der Wehrpflicht als „strategischen Fehler“. Obwohl sich die AfD in den vergangenen Wochen den Anschein gegeben hatte, zumindest momentan nicht für eine Wehrpflicht streiten zu wollen, brachte ihr Sachverständiger ein besonders durchtriebenes Modell in die Beratung ein. Wundrak forderte eine Wehrpflicht von drei Monaten. Kriegsdienstverweigerer sollten hingegen „mindestens neun Monate“ Ersatzdienst leisten. Eine Grundausbildung von drei Monaten sei ausreichend für die „große Masse der im Bündnis-, Spannungs- und Verteidigungsfall“ anfallenden Aufgaben innerhalb Deutschlands.
Generalleutnant Robert Sieger wählte eine Sprache jenseits der ganz platten Kanonenfutter-Rhetorik. Eine Musterung ziele „nicht auf Personalgewinnung“, so der Chef des Bundeswehr-Personalmanagements. Vielmehr gehe es um „Daseinsvorsorge“, um die „Lebensversicherung unseres Landes“ und um „glaubwürdige Abschreckung, die auch in Moskau verstanden wird“.
Auch der Jugend eine Stimme zu geben forderte Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Nun, da er als Sachverständiger geladen war und eine Stimme hatte, nutzte er sie nicht. Zwar kritisierte Gärtner den miserablen Zustand der Schulen, doch was er oder seine Generation von der Wehrpflicht halten, ließ er sich nicht entlocken. „Ganz viele junge Menschen möchten anpacken und etwas für die Gesellschaft leisten“, aber dafür müsse man sie auch einbeziehen.
Wenn es so etwas wie eine Gegenmeinung im Gremium gab, dann versteckte sie sich gut hinter den Ausführungen von Daniela Broder vom Bundesjugendring. Jugendliche fühlten sich „nicht einbezogen, unzureichend informiert und in ihren Zukunftsentscheidungen alleine gelassen“, kritisierte sie. In der Wehrdienstdebatte würden sie nur als „naheliegende Ressource“ betrachtet.
Wie um das zu bestätigen, protestierte André Wüstner vom deutschen Bundeswehrverband dagegen, dass die Bundesregierung mit dem Fokus auf Freiwilligkeit „auf das Prinzip Hoffnung“ setze und damit eine „unzulässige Wette auf die Zukunft“ eingehe.
Eine zulässige Wette auf die Zukunft gehen hingegen diejenigen ein, die den gesamten Bundeshaushalt und die junge Generation auf einen militärischen Sieg über Russland verpfänden wollen. Zumindest wenn man die richtigen „Experten“ fragt.


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