Gewollt wirkungslos

Manfred Dietenberger zum Entgelttransparenzgesetz

Manfred Dietenberger

Manfred Dietenberger

Frauen verdienen im real existierenden Kapitalismus der BRD im gleichen Job im Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Seit dem 6. Januar haben Beschäftigte nach dem Gesetz mit dem sperrigen Namen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) das Recht, von ihrem Boss Auskunft darüber zu verlangen, was ihre Kolleginnen und Kollegen mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit an Entgelt/Lohn erhalten.

Nicht einmal die Idee des Gesetzes ist löblich. Zu Entgeltgleichheit führt das Gesetz schon gar nicht. Kurz und konkret: Das von vielen als „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit“ gefeierte Gesetz hilft denen, die Hilfe am dringendsten bräuchten, überhaupt nicht. Und die, denen es helfen könnte, müssen nach wie vor sehr viel Courage aufbringen, um davon etwas zu haben. Damit das so ist, hat sich die Regierung – sprich die Geschäftsführung der Deutschland AG – vom Parlament ein Gesetz absegnen lassen, das die Hürden hoch legt.

Das Gesetz gilt nur für Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mindestens 200 Angestellten arbeiten, und nur dann, wenn es mindestens sechs Kolleginnen oder Kollegen des jeweils anderen Geschlechts gibt, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Durch diese Einschränkungen bleiben Beschäftigte in kleinen und mittelständischen Unternehmen faktisch ausgesperrt. Denn genau in diesem Bereich ist die Entgeltgeltdiskrimierung am höchsten. Schließlich arbeiten zwei Drittel aller erwerbstätigen Frauen in diesem unserem Lande in kleinen und Kleinstbetrieben und sind von diesem Gesetz ausgenommen.

Das Auskunftsrecht ist nur ein individuelles Recht und damit für den, der es für sich in Anspruch nimmt, oft mit einem hohen Risiko verbunden. Deckt eine Kollegin tatsächlich am Ende eine Entgeltdiskriminierung auf, muss sie sich vermutlich warm anziehen. Die stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende Elke Hannack umschreibt das so: „Ich würde Frauen immer erstmal raten, zu schauen: Gibt es einen Betriebsrat im Betrieb, der sich wirklich intensiv für die Interessen und Belange der Beschäftigten einsetzt. Ansonsten ist es natürlich schwierig“. Aber die allermeisten von Lohndiskriminierung betroffenen Frauen arbeiten eben nicht in Betrieben mit Betriebsrat. Und selbst dort, wo es einen Betriebsrat gibt, gilt nur bei 15 Prozent dieser Betriebe ein Tarifvertrag. Wenn Betriebe auch weiterhin permanent Grundgesetz, Betriebsverfassungsgesetz und Tarifverträge unbelästigt und ohne Strafen befürchten zu müssen, unterlaufen können, ist das also kein Versehen, sondern gewollt.

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"Gewollt wirkungslos", UZ vom 19. Januar 2018



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