Erinnerung an Wegbereiter des Faschismus

Stele in Dortmund informiert über den Industriellen Emil Kirdorf

In der Kirdorf-Siedlung im Dortmunder Stadtteil Eving erinnert seit dem 21. Juli eine Stele an die Rolle des Industriellen Emil Kirdorf (1847 bis 1938) als Wegbereiter des Faschismus. Vom Beschluss in der Bezirksvertretung bis zu seiner Umsetzung, zur Aufstellung der Stele, dauerte es 14 Jahre. Ulrich Sander erinnert an den steinigen Weg:

Im Juli 2018 titelten die „Ruhr Nachrichten“ im Dortmunder Lokalteil: „Die braune Vergangenheit des Emil Kirdorf: Verwirrung um verschwundene Tafel“. Und weiter hieß es: „Der Industrielle Emil Kirdorf förderte den Aufstieg von Adolf Hitler. In der nach ihm benannten Siedlung in Dortmund-Eving sollte vor Jahren eine Mahntafel aufgestellt werden. Von ihr fehlt jede Spur.“ Zur Vorgeschichte hieß es: „Einstimmig beschloss die Bezirksvertretung Eving bereits 2011 die Aufstellung einer solchen Tafel und stellte dafür 10.000 Euro zur Verfügung. Fast sechs Jahre nach dem Beschluss ist von der Tafel noch weit und breit nichts zu sehen. Gibt es sie überhaupt. Und wenn ja, wo ist sie abgeblieben?“ Dem Beschluss lag ein Antrag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) zu Grunde.

Im November 2023 hieß es in den „Ruhr Nachrichten“ unter Bezugnahme auf eine Erklärung der Grünen: „Ein Mahnmal, das auf die problematische Nazi-Vergangenheit von Emil Kirdorf hinweist, soll in der Kirdorf-Siedlung aufgestellt werden. An der Umsetzung hapert’s.“

Weitere zwei Jahre später teilte Oliver Stens (SPD), Evinger Bezirksbürgermeister, den Abgeordneten nunmehr mit Datum des 21. Juli 2025 mit: „Der Beschluss der Bezirksvertretung zur Aufstellung der Kirdorf-Stele ist umgesetzt und die Stele aufgestellt.“

„Warum es 14 Jahre dauerte, den Beschluss umzusetzen, kann nur als Mischung aus Schildbürgerstreich und skandalöser Frechheit, verbunden mit Geschichtsklitterung, bezeichnet werden“, erklärte dazu ein Sprecher der VVN-BdA. Eine Hürde sei wohl, so vermutet die VVN-BdA, dass insgesamt die Rolle der Industriellen bei der Wegbereitung des deutschen Faschismus in Vergessenheit geraten solle. So sei aus der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache die Bewertung des Emil Kirdorf ebenso verschwunden wie der Raum 7 mit dem Titel „Die Schwerindustrie setzt auf Hitler“. Warum? Weil angeblich neue Erkenntnisse die Aussage über die Schwerindustrie nicht mehr zuließen, so das Stadtarchiv.

Die Konzerne der Schwerindustrie aus dem Ruhrrevier gehören allerdings zu den Unterzeichnern einer Erklärung von 49 Konzernleitungen zum 80. Jahrestag des 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung von Krieg und Faschismus. In dem späten Geständnis, das vom ehemaligen IG Farben-Betrieb Bayer AG initiiert worden ist, heißt es: „Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wäre ohne das Versagen der damaligen Entscheidungsträger in Politik, Militär, Justiz und Wirtschaft nicht denkbar gewesen. Deutsche Unternehmen trugen dazu bei, die Herrschaft der Nationalsozialisten zu festigen. Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt. Heute übernehmen wir als deutsche Unternehmen Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sichtbar zu machen.“

Die Erklärung der Konzerne ist wohlfeil und kostete sie nichts – so vermutet man offenbar. Doch die Zeit der Entschädigungen ist nicht zu Ende. Das kann man einer Forderung entnehmen, die die VVN-BdA aufgestellt hat: Die Erben der ökonomischen Eliten der Hitlerzeit sollen zu Gunsten der Nachkommen der Opfer, vor allem der Zwangsarbeiter, enterbt werden. Auch Geschichtsklitterung, wie sie mit der Beseitigung des Raums 7 in der Steinwache zur Rolle der Schwerindustrie vollzogen wurde, müsse beendet werden, so die VVN.

Mit der Stele zu Kirdorf wird dazu ein Anfang gemacht, wenn auch nach langem Zögern. Sein Verbrechen ist nun in der nach ihm benannten Siedlung dokumentiert – und zwar mit diesen Worten auf der Stele:

„Emil Kirdorf – 8.4.1847 – 13.7.1938 – Die Kolonie Kirdorf ist eine Bergbausiedlung. Erbaut wurde sie 1912-1913 von der Gelsenkirchener Bergwerks AG im Stil einer Gartenstadt für Arbeiter und benannt nach ihrem Generaldirektor Emil Kirdorf. Als er 1873 bei der GBAG eintrat, förderte das Unternehmen auf zwei Zechen 156.000 Tonnen Kohle. Als er sie 1926 – nach 53jähriger Leitung – verließ, war sie zum größten Kohlenbergbauunternehmen Deutschlands und Europas geworden.

Emil Kirdorf war politisch ein Reaktionär und sah in der Person Bismarcks den deutschen Gedanken verwirklicht. Er war von Beginn an ein entschiedener Gegner der Weimarer Republik und betätigte sich deshalb früh und aktiv als Förderer des Aufstiegs Adolf Hitlers. Von 1927 bis zu seinem Tode war er mit Unterbrechungen Mitglied der NSDAP.
Stadt Dortmund“

Die Entschädigungsforderung der VVN-BdA sieht vor, aus dem Erbe der Profiteure des faschistischen Raubkriegs und der Zwangsarbeit im Naziregime den Nachfahren der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter den vorenthaltenen Lohn nachzuzahlen. Die VVN-BdA erklärte: „Die Schuldigen aus den Kreisen der ökonomischen Eliten blieben bisher unbestraft, und ihr Wirtschaftssystem gehörte zu den Wurzeln des Faschismus. Den Hinterbliebenen der Räuber darf die Beute nicht länger gehören.“
Folgende Rechnung ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung: Es gibt in Deutschland derzeit 132 Milliardäre. 71 Prozent dieser Milliardäre sind deshalb so reich, weil sie Milliardenvermögen geerbt haben. Zum Vergleich: Von den 2.800 Milliardären, die es weltweit gibt, haben nur 36 Prozent ihr Vermögen geerbt. Die Zahl der deutschen Milliardärserben ist prozentual doppelt so hoch aufgrund des Raubzugs ihrer Vorfahren vor 1945. (Quelle: ARD, „Reschke Fernsehen“, 16. Januar 2025)

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