500 Jahre Bauernkrieg – das macht vor allem eins: viele Festveranstaltungen und noch mehr Publikationen. Eine gleichsam unterhaltsame wie kuriose ist im Alibri-Verlag erschienen. „Dran! Dran! Dran! – Thomas Müntzer, der Bauernkrieg und die Entblößung des falschen Glaubens“, herausgegeben von Karsten Krampitz und Albert Scharenberg, versammelt Essays, Interviews und eine Predigt zu Thomas Müntzer.
Zu Wort kommen dabei unter anderem die australische Historikerin Lyndal Roper, die in Oxford zur deutschen Geschichte der frühen Neuzeit forscht, der schottische Schriftsteller Andrew Drummond, der Dadaist Hugo Ball und der Dramatiker und Schriftsteller Volker Braun. Und natürlich bekommt im Kapitel über den Revolutionär Thomas Müntzer auch Friedrich Engels das Wort. Und auch Müntzer selbst darf in einem Brief „An die Allstedter“ (angenehm vorsichtig von den Herausgebern an den heutigen Sprachgebrauch angepasst) seine revolutionären Forderungen vorstellen: „Dran, dran, dran, derweil das Feuer heiß ist. Lasst euer Schwert nicht kalt werden, erlahmet nicht! Schmiedet pinke-panke auf den Ambossen Nimrods, werfet ihnen den Turm zu Boden!“
Natürlich kommt auch dieser Band nicht ohne einen Beitrag zur Kritik an der DDR und ihrem Bezug auf Müntzer aus – ich erspare uns, auch hier wieder darauf einzugehen. Abgesehen davon haben die Herausgeber, wie man ihrem Vorwort entnehmen kann, einen deutlich realistischeren Blick auf Thomas Müntzer und sein Wirken. „Thomas Müntzer ruft zum Kampf auf – als erster Theologe, der aus dem christlichen Glauben heraus das Recht auf Ungehorsam gegen die Obrigkeit proklamierte“, heißt es im Vorwort. Dazu passt, dass der Band auch die – zugegebenermaßen etwas kuriose – Predigt des Theologen Timo Versemann enthält, Jugendpfarrer in Berlin mit einem Hang zu Befreiungstheologie. Er thematisiert die Frage „Gott oder Geld“, die Solidarität und das Reich Gottes und das Streben nach Gerechtigkeit. Und er beschreibt das wunderbare Bauernkriegs-Panorama von Werner Tübke „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ als eine Darstellung von „Geschichten von Elend, von Hoffnung, von Niederlagen, Abwegen, Aufbrüchen und dem Glauben, gemalt mit Uneindeutigkeit, aber auch mit einer Liebe und einer Leidenschaft, die noch viel größer ist, als in jenem Helene-Fischer-Lied: ‚Alles, was ich will, ist da – große Freiheit, pur ganz nah/ Nein, wir wollen hier nicht weg, – alles ist perfekt/ Atemlos durch die Nacht – Spür was Liebe mit uns macht.‘ Amen.“ Ich sag ja: kurios.
Kurios geht es auch weiter, wenn Bodo Ramelow von der Linkspartei sich in der „Angst vor einer gottlosen Gesellschaft“ ergeht. Er stellt zwar richtig, aber verharmlosend, fest: „Im Zuge des sich anbahnenden Krieges schlug sich Luther endgültig auf die Seite der Macht der Fürsten, während Müntzer die Sache der Bauern vertrat.“ Um dann zu dem Schluss zu kommen, dass nur mit beiden gemeinsam „gewissermaßen als reformatorisches Doppelpack“ „ihr epochemachendes Werk verstanden werden“ kann. Man könnte auch sagen, der eine war ein Verräter der Sache des gemeinen Volkes, der andere nicht, aber das sieht Ramelow wahrscheinlich anders. Aber wer möchte schon etwas über Solidarität, Nächstenliebe und Gerechtigkeit von einem Mann wie Ramelow lesen? Immerhin bezeichnet er tote Kinder in Gaza als „Hamas-Scheiß“. Von ihm gewürdigt zu werden hat Thomas Müntzer nicht verdient.
Von dem Ausreißer abgesehen, den der unambitionierte Aufsatz des thüringischen Ex-Ministerpräsidenten darstellt, ist „Dran! Dran! Dran!“ ein durchaus interessantes und vergnügliches Leseerleben. Auch für Heidenkinder wie mich.
Karsten Krampitz /
Albert Scharenberg (Herausgeber)
Dran! Dran! Dran!
Thomas Müntzer, der Bauernkrieg und die Entblößung des falschen Glaubens
Alibri-Verlag, 158 Seiten, 16 Euro