Der Fall Zhao Weiguo

Chinas Entschlossenheit

Liu Yumeng

Zhao Weiguo galt einst als schillernde Persönlichkeit der chinesischen Halbleiterindustrie, bekannt für seine kühnen Kapitalmanöver und aggressiven Übernahmestrategien. Doch seine Karriere endete abrupt: Am 14. Mai 2025 fällte das Mittlere Volksgericht der Stadt Jilin in der Provinz Jilin das öffentliche Urteil in erster Instanz gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Tsinghua Unigroup: Todesstrafe mit zweijährigem Aufschub, lebenslanger Entzug politischer Rechte sowie Einziehung seines gesamten persönlichen Vermögens. Seine Straftaten umfassen unter anderem: gemeinsame Verschwörung in den Jahren 2018 bis 2021 zur rechtswidrigen Aneignung staatlicher Vermögenswerte im Wert von über 470 Millionen RMB (57 Millionen Euro); die Verursachung eines direkten wirtschaftlichen Schadens für den Staat in Höhe von über 890 Millionen RMB (108 Millionen Euro) durch die Übertragung gewinnbringender Geschäftsbereiche seiner Einheit an bestimmte Bezugspersonen zur eigenständigen Bewirtschaftung in den Jahren 2014 bis 2021; sowie im Jahr 2019 die Anweisung an einen Direktor eines von ihm faktisch kontrollierten börsennotierten Unternehmens, ein Projekt zu einem niedrigen Preis an ein von Bekannten Zhaos betriebenes Unternehmen zu vermieten, wodurch dem börsennotierten Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden von über 46,45 Millionen RMB (5,5 Millionen Euro) entstanden ist.

Hartes Durchgreifen

Der Fall Zhao Weiguo hat in Chinas Hightech-Branche große Aufmerksamkeit erregt. Die Verurteilung zum Tode mit zweijährigem Strafaufschub ist eine äußerst schwere Strafe, deren endgültige Vollstreckung in der Regel vom Reueverhalten des Täters abhängt: Die Todesstrafe kann weiterhin vollstreckt, aber auch in eine lebenslange Freiheitsstrafe oder eine zeitlich befristete Freiheitsstrafe von 25 Jahren umgewandelt werden. Die Voraussetzung für eine Todesstrafe mit Aufschub ist dieselbe wie für die sofortige Vollstreckung: Der Täter muss besonders schwerwiegende Straftaten begangen haben.

Das Gerichtsverfahren ist ein Weckruf für die Entwicklung der chinesischen Halbleiterindustrie. Beim Streben nach schnellem Wachstum müssen Unternehmen operative Risiken strikt kontrollieren und eine nachhaltige Entwicklung sicherstellen. Das Urteil unterstreicht Chinas Entschlossenheit, die Entwicklung der Halbleiterindustrie durch klare und disziplinierte Regulierung voranzutreiben.

Zhaos Imperium

Die Tsinghua Unigroup wurde 1988 gegründet, ursprünglich als Technologie-Entwicklungsgesellschaft der Tsinghua-Universität. 1993 wurde sie in die Tsinghua Unigroup Corporation umgewandelt und 2005 im Rahmen einer Restrukturierung offiziell in Tsinghua Unigroup umbenannt. Durch eine Reihe von Fusionen und Übernahmen entstand nach und nach ein Chip-Imperium, das Chip-Design, -Herstellung, -Verpackung und -Test sowie deren Anwendung umfasste. Während Zhaos fast 13-jähriger Führung von 2009 bis 2022 stieg das Gesamtvermögen der Gruppe von 1,3 Milliarden RMB auf fast 300 Milliarden RMB (36 Milliarden Euro). Die Tsinghua Unigroup wurde zeitweise zu einem führenden Giganten der chinesischen Chip-Industrie und zum drittgrößten Unternehmen der Welt bei der Herstellung von Mikrochips für mobile Anwendungen. Die Gruppe trieb technologische Durchbrüche und Entwicklungen aktiv voran und erzielte in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Cloud-Computing und Big Data beachtliche Ergebnisse. Sie bot intelligente und effiziente Lösungen, um die digitale Transformation der Nutzer zu unterstützen, und konzentrierte sich auf den Aufbau einer „Cloud-Netzwerk“-Industriekette. Im Bereich IT-Dienstleistungen stellte sie zukunftsorientierte Rechentechnologien wie intelligente Netzwerkgeräte, Speichersysteme und ein vollständiges Serverportfolio bereit. Im Vergleich zu Unternehmen wie Qualcomm, die sich hauptsächlich auf das Chip-Geschäft konzentrieren, weist die Tsinghua Unigroup eine höhere Diversifizierung ihrer Geschäftsfelder auf – mit Aktivitäten in den Bereichen Software und IT-Hardware sowie anderen Sektoren. Dieser breitere industrielle Fokus verschafft ihr einen Wettbewerbsvorteil, bringt jedoch zugleich Herausforderungen in unterschiedlichen Geschäftsbereichen mit sich.

Aggressive Strategie

Während seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der Tsinghua Unigroup verfolgte Zhao eine aggressive Strategie der Fusionen und Übernahmen, um schnell Technologie, Märkte und Branchenpositionen zu erwerben. So übernahm er 2013 Spreadtrum Communications für 1,8 Milliarden US-Dollar (1,6 Milliarden Euro) und 2014 RDA Microelectronics für 907 Millionen US-Dollar (790 Millionen Euro). 2015 investierte er 2,5 Milliarden US-Dollar (2,2 Milliarden Euro) in den Erwerb einer 51-prozentigen Beteiligung an H3C, einem Unternehmen unter dem Dach von Hewlett-Packard. Diese Übernahmen machten die Tsinghua Unigroup rasch zu einem führenden Unternehmen im Bereich der chinesischen Mobilfunk-Chip-Entwicklung. Doch dieses von Kapital getriebene, ungezügelte Wachstum wies erhebliche Schwächen auf. Zhaos blinde Selbstüberschätzung führte dazu, dass er sich stark bei Finanzinstitutionen verschuldete, um die Expansion zu finanzieren, was schließlich in einer sich zuspitzenden Schuldenkrise endete. Ab 2018 zog sich Zhao schrittweise aus wichtigen Positionen bei der Tsinghua Unigroup zurück, doch zu diesem Zeitpunkt war die Schuldenkrise bereits unumkehrbar.

Ernste Warnung

Zhao, einst als „Chip-Fanatiker“ gefeiert, steht mit seinem Fall exemplarisch für die rechtlichen und ethischen Risiken, denen Chinas Halbleiterindustrie im Zuge ihrer rasanten Entwicklung ausgesetzt ist. Der Fall hatte nicht nur Auswirkungen auf die Tsinghua Uni­group, sondern auch auf die gesamte chinesische Halbleiterbranche – vor allem im Hinblick auf Kapitaloperationen, Unternehmensführung und das regulatorische Umfeld. Die öffentliche Verhandlung und Verurteilung Zhaos zeigen die entschlossene Haltung der chinesischen Justiz im Kampf gegen Korruption, namentlich bei Fällen, die den Verlust staatlicher Vermögenswerte und schwerwiegende Schäden für börsennotierte Unternehmen betreffen. Das Urteil unterstreicht Chinas Entschlossenheit, die Entwicklung der Halbleiterindustrie rechtsstaatlich und geordnet zu regulieren. Es dient als Warnung für andere Unternehmer und Führungskräfte und betont die Bedeutung gesetzeskonformen Handelns und unternehmerischer Integrität.

Konsequenzen

Der Fall Zhao Weiguo ist zum Katalysator für die Transformation der Aufsicht über die Halbleiterindustrie in China geworden. Zukünftig wird die Branche voraussichtlich einen Entwicklungsweg verfolgen, der durch „starke Regulierung plus hohe Qualität“ gekennzeichnet ist. Während Unternehmen von günstigen politischen Rahmenbedingungen profitieren, müssen sie ihre Anstrengungen zur Einhaltung von Gesetzen und internen Regelungen verstärken. Angesichts der langen Wertschöpfungskette und der technologieintensiven Natur der Halbleiterindustrie werden zukünftige Regulierungsmaßnahmen in ihrem Umfang vertieft – mit verstärkter Prüfung kritischer Stationen und umfassenden Überprüfungen der Regeleinhaltung über den gesamten Prozess von Chip-Design und -Herstellung bis hin zu Verpackung und Test, mit besonderem Fokus auf Technologietransfer und Schutz des geistigen Eigentums. Für neue Anwendungsfelder wie Künstliche Intelligenz und Internet der Dinge wird ein Mechanismus zur Bewertung der Datensicherheit von Halbleiterprodukten etabliert. Zudem wird die Durchsetzung des Kartellrechts verstärkt, wobei besonderes Augenmerk auf den Missbrauch von Patentpools (Kooperationsvereinbarung mehrerer Patentinhaber) und Marktsegmentierung gelegt wird. Um ein faires Wettbewerbsumfeld zu sichern, wird die Bildung von Monopolstellungen verhindert.

251001 Grafik1 - Chinas Entschlossenheit - China, Firmenübernahmen, Halbleiter, Hightech-Branche, Korruption, Risikomanagement, Tsinghua Uni­group, Zhao Weiguo - Theorie & Geschichte
Todesstrafe wegen Korruption: Zhao bei Prozessbeginn im September 2023 (Foto: Screenshot CCTV)

Kampf gegen Korruption

Als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Tsinghua Unigroup nutzte Zhao seine Position aus, um mit anderen Personen zu kollaborieren, sich staatliches Vermögen illegal anzueignen und für Verwandte und Bekannte unrechtmäßige persönliche Vorteile zu erlangen. Diese Reihe von Handlungen unterstreicht die Bedeutung rechtlicher Regulierung und unternehmerischer Compliance (Regeltreue) in einer sich schnell entwickelnden Marktwirtschaft. Selbst in technologieintensiven und kapitalaufwendigen Branchen müssen Unternehmen strikt die Gesetze und Vorschriften einhalten und sicherstellen, dass alle Geschäftstätigkeiten innerhalb eines rechtmäßigen und regelkonformen Rahmens erfolgen.

Integrität ist das Fundament für das Überleben und die Entwicklung eines Unternehmens. Während seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender übergab Zhao illegal die profitablen Geschäftsbereiche des Unternehmens zur Führung an Verwandte und Freunde, kaufte Waren etlicher von diesen Personen geführter Unternehmen zu deutlich über dem Marktwert liegenden Preisen und veranlasste die Unternehmensvorstände zu Handlungen, die den Inte­ressen des börsennotierten Unternehmens schadeten. Diese Verhaltensweisen stellten einen schweren Verstoß gegen das Prinzip der Inte­grität dar. Unternehmer sollten sich an ehrliche Geschäftspraktiken halten, den Ruf ihres Unternehmens schützen und Verluste durch unlauteres Verhalten vermeiden.

Eingriff in Unternehmensführung

Es ist unerlässlich, blinde Übernahmen zu vermeiden und die Kapitalmarktaktivitäten zu regulieren. Unter der Führung von Zhao investierte die Tsinghua Unigroup von 2013 bis 2019 enorme Summen in den Erwerb von mehr als 20 Unternehmen, initiierte nahezu 60 Fusionen und Übernahmen und tätigte Investitionen von über 100 Milliarden RMB (12 Milliarden Euro). Dieses kapitalgetriebene, schnelle Wachstum verbarg fatale Schwächen und führte letztlich zu einer umfassenden Schuldenkrise der Gruppe. Dies ist eine Warnung an alle Akteure auf dem Kapitalmarkt, vor allem an Unternehmensleiter, dass sie bei Fusionen und Übernahmen nicht nur auf Größe und Geschwindigkeit setzen dürfen, sondern ihre finanzielle Situation, Integrationsfähigkeit und Marktrisiken gründlich bewerten müssen. Nur so können Fusionen und Übernahmen echte Synergieeffekte erzielen und Wert für das Unternehmen schaffen, statt blind mit Kapitalmacht schnell Technologien, Märkte und Branchenpositionen zu übernehmen.

Nachhaltigkeit

Der Fall Zhao Weiguo hat erhebliche Auswirkungen auf die chinesische Halbleiterindustrie. Er wird Unternehmen dazu veranlassen, bei ihrem Streben nach schnellem Wachstum verstärkt auf Compliance und Risikomanagement zu achten. Gleichzeitig soll er positive Veränderungen in den Bereichen Berufsethik, staatliche Vermögensverwaltung, Unternehmenskultur und Informationstransparenz fördern, um so das gesunde und nachhaltige Wachstum der Halbleiterbranche langfristig zu sichern.

Unsere Autorin forscht im Bereich marx­istische Theorie an der Tsinghua-Universität in Peking.

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"Chinas Entschlossenheit", UZ vom 20. Juni 2025



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