Am 15. Juni sprach BSW-Politikerin Sevim Dagdelen in Rostock auf einer Friedenskundgebung. In fünf Thesen fasste sie die aktuelle Entwicklung mit Blick auf den Angriffskrieg Israels auf den Iran und den bevorstehenden NATO-Gipfel prägnant zusammen. Wir dokumentieren ihre Rede im Wortlaut:
- 1. Am 13. Juni 2025 hat Israel den Iran angegriffen.
Diese völkerrechtswidrige Attacke wäre ohne die intensive Unterstützung der USA, der NATO und der EU kaum vorstellbar. Im Gegenteil: Die USA führten bis zuletzt Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm, offenbar mit dem Ziel, Teheran in Sicherheit zu wiegen – während der Angriff längst beschlossene Sache war. In Washington scheint die Entscheidung für einen globalen Drei-Fronten-Krieg gefallen zu sein, mit dem Ziel, die US-Hegemonie gegenüber den BRICS-Staaten und dem globalen Süden zu verteidigen.
In Europa soll der Stellvertreterkrieg der NATO unter deutscher Führung in der Ukraine gegen Russland weitergeführt werden – mit dem Ziel, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen und es als Machtblock zu zerschlagen. Dies formulierte etwa die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas offen als Kriegsziel. Im Nahen Osten führt Israel einen Stellvertreterkrieg der USA gegen den Iran. Ziel ist es, den Iran als Bündnispartner Russlands und Chinas auszuschalten und die chinesische Rohölversorgung – bei der der Iran eine Schlüsselrolle spielt – zu unterbrechen. An der dritten Front in Ostasien bündeln die USA derzeit ihre Kräfte, um China herauszufordern. Wie im Fall von Deutschland und der Ukraine in Europa werden auch hier Staaten und Gebilde wie Japan, die Philippinen und Taiwan als antichinesische Frontstaaten aufgebaut.
- 2. Für die Führung eines solchen Drei-Fronten-Kriegs ist eine gigantische Aufrüstung notwendig.
Auf dem NATO-Gipfel in Den Haag soll daher ein Rüstungsziel von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beschlossen werden – eine Verdoppelung der bisherigen Militärausgaben auf rund drei Billionen Euro. Allein Deutschland würde dann jährlich 225 Milliarden Euro – fast die Hälfte des Bundeshaushalts – für Rüstung ausgeben. Schon jetzt übersteigen die Militärausgaben allein der europäischen NATO-Staaten jene Russlands um mehr als das Vierfache. Es geht bei der Aufrüstung also nicht um Verteidigung, sondern um die Fähigkeit der NATO, einen Weltkrieg gegen Russland, China und den Iran gleichzeitig führen zu können.
- 3. Bei der globalen Ausdehnung der NATO und dem Versuch, die US-Hegemonie abzusichern, spielt die Kontrolle über Meerengen, maritime Handelswege und ganze Meere eine zentrale Rolle.
Auch in der Ostsee erleben wir derzeit den Versuch, diese in ein „Mare Nostrum“ der NATO zu verwandeln – ein Meer, in dem selbst die Handelsrouten in internationalen Gewässern sowie Ein- und Ausfahrten in die Nordsee und den Atlantik unter NATO-Kontrolle stehen sollen. Als Hebel dienten jüngst die EU-Sanktionen gegen russische Tanker, die von NATO-Mitgliedern wie Estland zur Durchsetzung genutzt wurden. Auch wenn man sich nach russischer militärischer Begleitung von Handelsschiffen teilweise zurückziehen musste, bleibt das Ziel eindeutig: Russland vom Zugang zur Ostsee abzuschneiden – eine geopolitische Realität zu revidieren, die seit den Tagen Peter des Großen besteht. Die Illusion, Russland in einem Wirtschaftskrieg ruinieren und in Einzelstaaten zerschlagen zu können, bleibt dabei treibende Kraft.
- 4. Die NATO baut derzeit eine umfassende militärische Infrastruktur zur Kontrolle der Ostsee auf.
Dazu zählt auch das Kommando in Rostock, das aus politischen Gründen nicht offiziell als NATO-Hauptquartier bezeichnet wird – denn das würde gegen den Einigungsvertrag und das völkerrechtlich bindende Stationierungsverbot für ausländische Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verstoßen. Die NATO forciert eine Ausweitung der Kampfzone gegen Russland, indem sie Konflikte aufwärmt, die im Kalten Krieg eingefroren waren – etwa die Frage der freien Durchfahrt russischer Schiffe. 1946 hatte sich die Sowjetunion von der dänischen Ostseeinsel Bornholm zurückgezogen, unter der Bedingung, dass dort keine NATO-Truppen stationiert werden und der Zugang zum Atlantik ungehindert bleibt. Beides scheint heute von der NATO in Frage gestellt zu werden – ein gefährliches Signal und möglicher Auftakt zur maritimen Ausweitung des Krieges.
- 5. Die NATO-Aufrüstung für einen Drei-Fronten-Weltkrieg geht zwangsläufig mit einem sozialen Krieg gegen die eigene Bevölkerung einher.
Auch wenn dies von den Regierenden vehement bestritten wird, liegt es auf der Hand: Wenn künftig die Hälfte des Bundeshaushalts in die Rüstung fließt, lässt sich das nicht allein über Neuverschuldung finanzieren. Es wird zu drastischen Kürzungen bei Rente, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur kommen. Deutschland und andere NATO-Staaten sollen zu Militärstaaten umgebaut werden, in denen zentrale gesellschaftliche Ressourcen der Kriegsfähigkeit untergeordnet werden. Die Profiteure dieser Entwicklung sind US-Investmentfonds wie BlackRock, die bedeutende Anteile an deutschen Rüstungskonzernen wie Rheinmetall halten. Für sie ist der Krieg – und seine Vorbereitung – ein Bombengeschäft in Zeiten kriselnden Kapitalismus’ und sinkender Renditen. Diesen Kriegsprofiteuren aber muss Widerstand entgegengesetzt werden: Notwendig ist ein Bündnis der arbeitenden Menschen im globalen Norden mit den Bewegungen im globalen Süden.