Der Umbau des DHL-Konzerns geht voran – weitgehend ohne gewerkschaftliche Gegenwehr

Druckmittel Verkauf

DHL will am Geschäft mit Post und Paket festhalten. Das berichtet zumindest DHL-Finanzchefin Melanie Kreis der „Börsen-Zeitung“. Man werde in diesem Bereich bald wieder wachsen, wenn das Briefgeschäft seinen Tiefpunkt erreicht habe und das Paketgeschäft dominiere. Die Aktionäre wollen jedoch das Gegenteil. Sie wollen die Post- und Paketsparte lieber loswerden. Das wurde sogar zu einer vielzitierten dpa-Meldung. Ein gutes Beispiel dafür, wie Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Denn von den Wünschen der Aktionäre erfuhr man nur durch diese Presseveröffentlichung.

Das Druckmittel des Verkaufs wird immer in der Hinterhand gehalten. Es gehört seit Jahren zu den „Werkzeugen“, die die DHL-Führung gegenüber den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di anwendet. Wenn nicht mindestens eine Milliarde Euro Umsatz gemacht wird, dann stehe das Geschäft mit Brief und Paket in der BRD auf der Kippe, heißt es. Das ist nirgendwo nachzulesen und nicht offiziell, aber es dient als Druckmittel, um ernsthafte Gegenwehr und höhere Tarifabschlüsse zu bekämpfen.

Hin und wieder braucht es aber auch ein „Zugeständnis“ an die sonst meuternden Arbeiterinnen und Arbeiter, um sie an die Kapitalseite und ihre Versprechungen zu binden. Hier ist es die Nachricht, dass man die Produktion umstellen und dann wieder wachsen könne. Der Subtext lautet: Dazu muss der Umbau natürlich auch funktionieren.

Konkret handelt es sich dabei um die flächendeckende Umstellung auf Verbund, also die massenhafte Zusammenlegung von DHL- und Post-Zentren (Brief- und Paketzentren sowie Zustellstützpunkte). Dafür wird neu gebaut und die Belegschaft verringert. Die Touren der Zustellerinnen und Zusteller werden in vielen Fällen neu geschnitten. Massenhaft werden alte Kolleginnen und Kollegen gegen jüngere ausgetauscht. Das bedeutet aber auch, dass für die neuen Touren niemand eine Einweisung geben kann, selbst wenn dies gewollt wäre. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Zustellqualität.

Wir haben es mit weiterer Flexibilisierung zu tun. Die Personalrotation und damit die Befristungsquote wird nach oben getrieben. Jobs, die bisher ein Leben lang ausgeübt wurden, werden zu solchen, die man nur ein paar Jahre lang macht und machen kann.

Das hat auch Folgen für die Verankerung und Organisationskraft der Gewerkschaft. ver.di ist, das haben wir in der letzten Tarifrunde gesehen, stark angegriffen. Der Organisationsgrad wird durch einen höheren Anteil an befristeten Stellen weiter sinken. Die Strategie, den Umbau des Konzerns „mitzugestalten“ und die disziplinierende Wirkung der Angst zuzulassen, die von der Geschäftsführung geschürt wird, untergräbt ver.di die eigene Basis. Da Kämpfe gegen diesen Umbau als aussichtslos deklariert werden, fehlt ihnen die Perspektive.

Die DHL hat längst nicht nur Postler und die Bevölkerung massiv angegriffen. Kleinhändlern wird das neue, teurere „GoGreen Plus“ aufgezwungen – eine Greenwashing-Maßnahme, die der Kapitalmobilisierung zur Umstellung auf Elektrofahrzeuge dient. Der Umwelt bringt das nichts, den Aktionären aber Profit. So berichtete „Logistik-Watchblog“ Anfang Juli, dass Händler sich abmelden wollen, da sie an der Komplexität sowie an den hohen Hürden verzweifeln.

Für den Umbau des DHL-Konzerns muss Kapital mobilisiert werden. Zu diesem Zweck werden unter anderem die Preise weiter erhöht, während der Service zurückgefahren wird. Dazu kommen die Drohungen, die Post- und Paketsparte womöglich zu verkaufen, um die Beschäftigten einzuschüchtern.

Positiv ist jedoch, dass sich nicht alle einschüchtern und einbinden lassen: Die Kolleginnen und Kollegen am DHL-Hub des Leipziger Flughafens streikten im Mai und Juni für 12 Prozent mehr Lohn. Das Ergebnis der Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik wird in dieser Woche (nach Redaktionsschluss) ausgezählt. Dass die Kolleginnen und Kollegen, die sich in einer Schlüsselstellung befinden, einen anderen Tarifvertrag haben als diejenigen in der Fläche, zeigt ein tiefer gehendes Problem: Gegen den „Umbau“ muss man kämpfen wollen. Das wäre zentral mit einer Vereinheitlichung der Tarifstruktur möglich. Ein einzelnes DHL-Hub, an dem die Beschäftigten mit ihrem Streik allein auf weiter Flur sind, kann umgangen werden. Die DHL lässt wichtige Sendungen über andere Hubs transportieren. Das macht es schwieriger, ökonomischen Druck aufzubauen.

Um hinter die Erscheinungen zu blicken, müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter kollektiv lernen. Hinter der Masse an Pressemitteilungen, Propaganda und schlichtem Blödsinn steht das Inte­resse des Kapitals. Aber worin genau dieses besteht und wie dagegen zu kämpfen ist, das sagt einem kein bürgerliches Medium, das muss man haarklein gemeinsam erarbeiten. Dazu muss man hinter die Erscheinungen blicken, auf die beiden großen Klassenkräfte – auf das Kapital und auf sich selbst – und von objektiven, materiellen Inte­ressen ausgehen, nicht von Gelaber.

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"Druckmittel Verkauf", UZ vom 18. Juli 2025



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