Auf ihrem Gewerkschaftstag zieht die IG BAU eine kritische Bilanz

Erfolge schwerer zu erreichen

Von Peter Köster

Robert Felger, Bundesvorsitzender der IG Bau

Robert Felger, Bundesvorsitzender der IG Bau

( Peter Köster)

„Unsere Anforderungen an die Politik und Lösungsvorschläge haben sich nach der Wahl nicht verändert. Es geht um faire Arbeitsbedingungen und neue tarifpolitische Antworten, um gerechte Verteilung unseres Reichtums, ein friedliches Zusammenleben und eine gerechte Altersversorgung“, erklärte der wiedergewählte Bundesvorsitzende der IG BAU, Robert Feiger.

Auf dem 22. Ordentlichen Gewerkschaftstag der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) vom 9. bis 13 Oktober in Berlin nahmen sich über 200 Delegierte gut vier Tage Zeit, über die Felder der Tarifpolitik der Gewerkschaft zu beraten. Die Gewerkschaft vertritt Kolleginnen und Kollegen aus der traditionellen Baubranche, aus der Gebäudereinigung und Facilitymanagement bis zum Grünen Bereich wie Landschafts- und Gartenbau, Pflege, Floristik und Forstwirtschaft. Dieser Gewerkschaftstag war „jünger“ als der vorherige. Zufrieden mit einem Durchschnittsalter von 57 Jahren war der Kongress aber nicht.

Der Bericht des fünfköpfigen Bundesvorstandes machte deutlich, dass tarifpolitische Erfolge für die Mitglieder immer schwerer zu erreichen sind. Dabei sind die Gegenkräfte im Unternehmerlager wie auch die konservativen Politikverhältnisse in der Republik als Gründe benannt. Die innerverbandliche Verfasstheit der Organisation wird auf den zwei Organisationsebenen (Bundesvorstand und Bezirksverbände) der Funktionäre nicht immer gleich beurteilt. So hatte die Gewerkschaft Ende 2016 gut 264000 Mitglieder. Die Mitgliederverluste gegenüber 2010 konnten zwar verringert, aber nicht aufgehalten werden.

Die Verschiebungen zwischen den Branchen sind deutlicher geworden. Die Entwicklung in den klassischen Baubranchen ist weniger erfolgreich als in den eher „neuen“ Branchen wie dem Gebäudereinigerhandwerk. In den Aussprachen zum Geschäftsbericht des Bundesvorstandes wie auch später zur Grundsatzrede des wiedergewählten Bundesvorsitzenden, Robert Feiger, gingen einige Delegierte kritischer mit der Arbeit des Bundesvorstandes in den zurückliegenden Jahren ins Gericht.

Aussagen des Gewerkschaftsvorstandes und der Delegierten in der Einschätzung der noch amtierenden Regierungskoalition wie auch hinsichtlich der Verbandsentwicklung unterschieden sich teils deutlich. Der Vorstand kommt im mündlichen Bericht, nach einer kritischen Bewertung des Agierens der Bundesregierung in der EU-Politik bei „Sparmaßnahmen und eine marktliberale Politik“, zu dem Urteil: „Ausgeglichener fiel die Politik der Großen Koalition im eigenen Land aus. Unter Beteiligung der SPD wurden Reformen verabschiedet, auf die die Gewerkschaften seit Langem gedrängt hätten.“ In der Debatte nahmen Delegierte auf diese Nähe zum „Regierungslager“ an Punkten wie der Rentenpolitik, der Mindestlohnhöhe, prekären Arbeitsverhältnissen kritisch Stellung. Die Höhe des gesetzlichen Mindestlohnes ist keinesfalls zufriedenstellend. Später ging der Bundesvorsitzende Robert Feiger, der auch Mitglied in der Mindestlohnkommission der Bundesregierung ist, darauf ein und formulierte seine Vorstellungen für einen zukunftsfähigen Mindestlohn. Dieser müsse auch vor Altersarmut schützen und so mindestens zweistellig vor dem Komma sein.

Die Grundsatzrede des Bundesvorsitzenden skizzierte die politischen und tariflichen Schwerpunkte der Gewerkschaft für die kommenden vier Jahre. Diese liegen, so Feiger, bei höheren Löhnen, mehr Rente und günstigem, bezahlbarem Wohnraum. Das Rentenniveau soll auf mindestens 50 Prozent steigen. Mehr Abschlüsse von Betriebsrenten durch tarifliche Vereinbarungen will die IG BAU erreichen. Mit mehr bezahlbarem Wohnraum soll einer Gettobildung vorgebeugt werden. 400 000 neue Wohnungen sind jährlich zu bauen, um dem Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum annähernd gerecht zu werden, mindestens 60 000 davon im sozialen Wohnungsbau.

Bei Infrastrukturmaßnahmen spricht sich die Gewerkschaft klar gegen ÖPP-Modelle aus und fordert eine „qualifizierte“ Prüfung solcher ÖPP-Vorhaben. Gemeinwohlabhängige Aufgaben gehören in staatliche Hände. Die Vergabepraxis von Aufträgen aus öffentlicher Hand soll für nichttarifgebundene Betriebe nur mit einem Zuschlag verbunden sein. Ein Verbandsklagerecht für Mitglieder von Gewerkschaften und die stärkere Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Regeln in Betrieben und auf Baustellen durch die Aufstockung auf mindestens 10 000 Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) wird gefordert sowie höhere Bestrafung bei Verstößen durch Unternehmen. Bisher könnten große Unternehmen Strafen aus der Portokasse bezahlen.

Der Entwicklung der Organisation hat Feiger den zweiten Teil seiner Grundsatzrede gewidmet. Der neue Bundesvorstand wird, unterstützt durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitgliedern, eine umfassende Analyse der vor zehn Jahren beschlossenen Strukturreform angehen. Anträge, die sich auf eine erneute Änderung von Teilstrukturen bezogen, wurden zwar abgelehnt, aber sollen, wie andere neue Erfahrungen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit, in diese Analyse einbezogen werden.

Der Gewerkschaftstag hat einen Beschluss des vorherigen Gewerkschaftstages zur Quotierung des Minderheitengeschlechts umgesetzt. Der neue Bundesvorstand ist weiblicher. Mindestens ein Drittel muss dem Minderheitengeschlecht angehören. Dies ist mit der Wahl von zwei Kolleginnen in den neuen Bundesvorstand umgesetzt.

Dokumente und Eindrücke vom

22. Ordentlichen Gewerkschaftstag der IG BAU unter www.igbau.de

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"Erfolge schwerer zu erreichen", UZ vom 20. Oktober 2017



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