Heinz Junges Leben im Widerstand

Ewig kann’s nicht Winter sein

Lothar Letsche

„Sein Leben stand im Zeichen des Kampfes für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, Faschismus und Krieg. Weder die Folterknechte der Nazis noch die Gesinnungsjustiz der Adenauer-Ära konnten ihn von diesem Weg abbringen.“ Die Todesanzeige für den Genossen Heinz Junge durfte in den bürgerlichen Dortmunder Zeitungen so nicht erscheinen – sie musste von den Angehörigen erst politisch abgeschwächt werden.

1914 geboren, in Dortmund-Großbarop aufgewachsen, starb Heinz am 21. Oktober 2004. Die Sache mit der Todesanzeige hätte ihn ganz sicher nicht gewundert.

Ich lernte Heinz Ende der 1970er Jahre in meiner Dortmunder DKP-Gruppe kennen, als ich – in Baden-Württemberg als angehender Lehrer mit Ausbildungs- und Berufsverbot belegt – im Ruhrpott in einem anderen Beruf Fuß zu fassen versuchte.

Seit einigen Monaten liegt nun ein Buch vor, in dem Heinz Junge Etappen seines Kampfes selbst darstellt. Als 19-Jähriger wird er 1933 ins KZ Börgermoor gesperrt, wo das Lied „Die Moor­soldaten“ entstand, dem der Buchtitel entnommen ist.

„Am 4. Juni 1935 wurde ich als 20-Jähriger aus dem Jugendgefängnis Bochum entlassen (…) Wiederaufbau des KJVD (Kommunistischer Jugendverband Deutschlands) und der Partei (KPD) im Ruhrgebiet. Dann: Einheitsfrontabkommen (mit den Sozialdemokraten) in Dortmund. Emigration nach Holland. Reisen ins ‚Reich‘ und in andere Länder. Am 21. September 1939 in Amsterdam verhaftet. Internierung auf Vlieland (einer niederländischen Nordseeinsel). Steinwache, Dortmunder Polizeigefängnis. Sachsenhausen, Mauthausen – und jetzt geht es zurück zur legalen Arbeit in der befreiten Heimat!“ Das notierte Heinz in Österreich – auf 38 Kilogramm abgemagert, mit 30 „dem Tod von der Schippe gesprungen“. Am 4. Juni 1945 wurde er – halbwegs aufgepäppelt – aus dem Krankenhaus entlassen.

Heinz hat keine zusammenhängenden Memoiren verfasst. Hinterlassen hat er eine Vielzahl in Jahrzehnten auf einer Reiseschreibmaschine zu Papier gebrachter, teilweise von seiner Frau Lore Junge (1923 bis 2009) abgetippter Texte, oft undatiert. Manches davon hat er im Laufe der Jahre auch mündlich erzählt, teilweise abweichend. Erinnerungen gehen über in erzählerische Ausgestaltungen und Betrachtungen. Zu einem chronologisch aufgebauten, spannend zu lesenden, auch beim Zuhören unterhaltsamen Buch hat das alles der 1946 geborene Sohn Reinhard Junge zusammengestellt – Autor von Recherchebüchern und Krimis, der trotz versuchten Berufsverbots 40 Jahre Lehrer sein konnte. Bearbeiten konnte er freilich nur das, worüber der Vater Schriftliches hinterließ.

Anschaulich schildert Heinz seinen Werdegang zum kommunistischen Funktionär und Widerstandskämpfer – die Rolle, in die er an seinem Geburtsort sozusagen hineinwuchs, mit all den Widersprüchen jener Zeit. Um eine Stelle als Gärtnerlehrling in Bonn zu erhalten, musste er den Schulbesuch vorzeitig abbrechen und sich einen großen Teil seiner Bildung dann selbst aneignen, wofür er auch die Gefängnisaufenthalte nutzte.

Für alle solche Erinnerungsbücher gilt, dass man sie als Geschichtsquelle nur vorsichtig nutzen kann. Hörensagen, Erinnerungstäuschungen, Kommentare und Legenden gilt es als solche zu erkennen und das authentisch aus eigenem Erleben Berichtete muss anhand anderer Zeugnisse überprüft werden. Aber wenn auch das eine oder andere Detail vielleicht anders gewesen sein mag, macht das die spannend erzählten Episoden aus dem Leben des Jungkommunisten Heinz Junge nicht weniger lesenswert. Deutlich wird, wie es damals und auch noch nach 1945 in der Industrie- und Arbeiterstadt Dortmund eine Tradition des abgestimmten Zusammenwirkens mit Sozialdemokraten gab. Besonders ausführlich und eindrücklich ist die Schilderung der Erlebnisse im KZ Sachsenhausen und zuletzt – ab Februar 1945 – in Mauthausen („Mordhausen“). Das Schlusskapitel ist dem „neuen Anfang“ 1945 in Dortmund gewidmet, bei dem Heinz (von Konflikten bis zu einem kurzzeitigen Parteiausschluss begleitet) Organisator der parteiübergreifenden Jugendbewegung war.

In Reinhard Junges Zusammenfassung wird die später im Zuge des KPD-Verbots erfolgte Verurteilung seines Vaters zu einer Gefängnisstrafe (von der auch seine Mutter betroffen war) nur kurz angesprochen. Nur gestreift werden auch Heinz’ Wirken in der VVN und als Generalsekretär des Sachsenhausen-Komitees sowie sein hoch anerkannter Einsatz für die Erinnerungskultur und die – für ihn sicher besonders schmerzhafte – geschichtsrevisionistische Umdeutung der Sachsenhausen-Gedenkstätte ab 1991.

„Entdeckt“ habe ich das Buch als Teilnehmer einer Lesung beim „Festival der Jugend“ und war spontan begeistert. Mein Fazit: unbedingt empfehlenswert!

Heinz Junge
Ewig kann’s nicht Winter sein. Ein Leben im Widerstand
Herausgegeben von Reinhard Junge
PapyRossa Verlag, Köln 2025, 301 Seiten, 22,90 Euro
Erhältlich im UZ-Shop

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"Ewig kann’s nicht Winter sein", UZ vom 19. Dezember 2025



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