Das BSW ist mit knapp 10.000 Mitgliedern und rund 5 Prozent der Stimmen bei den letzten Bundestagswahlen die kleinste der inzwischen in drei Parteien zersplitterten sozialdemokratischen Bewegung in Deutschland. Sie ist gleichzeitig diejenige, die sich dem Kriegskurs gegen Russland und China entgegenstemmt und vor allem aus diesem Grund von allen anderen größeren Parteien am giftigsten angefeindet wurde und wird. In dieser Situation hat sie am letzten Wochenende in den Magdeburger Messehallen ihren Bundesparteitag abgehalten.
Nach Aussagen des Bundeswahlleiters fehlten im Februar weniger als 0,02 Prozent der Stimmen, um im 21. Deutschen Bundestag Mandate zu besetzen. In jedem ordentlichen Verein dieses Landes wäre es keiner Diskussion wert, dass die Stimmen bei einem so knappen Ergebnis und angesichts großer, bereits festgestellter Unregelmäßigkeiten sicherheitshalber noch einmal nachgezählt werden – nicht so in dieser sich unentwegt selbst feiernden Republik. Die bei den Mandatsträgern selbst zu beantragende Prüfung des Ergebnisses hatte – wie kaum anders zu erwarten – zu dem Resultat geführt, dass alles in Ordnung und eine Neuauszählung überflüssig sei. Alles andere wäre auch überraschend gewesen, hängt doch die weitere Existenz der gegenwärtigen Regierung daran, dass nicht doch 9.529 Stimmen oder gar ein paar mehr in den Wahllokalen auf dem falschen Stapel gelandet sind.
Nun hofft die um den neu gewählten Vorsitzenden Fabio De Masi, seine Mitvorsitzende Amira Mohamed Ali, die Gründerin Sahra Wagenknecht und ihren Ehemann Oskar Lafontaine zusammengescharte Partei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das sie nach dem 18. Dezember anrufen kann, wenn der Bundestag mit Mehrheit ihren Einspruch gegen das Wahlergebnis zurückgewiesen hat. Angesichts der friedenspolitisch klaren Positionen drücken ihnen viele friedliebende Menschen die Daumen für diesen etwas irritierend naiven Wunsch an eine der Institutionen des bürgerlichen Staatsapparates.
Ob die neue Partei auch nach einer Niederlage in Karlsruhe oder nach einer Neuauszählung, die ihr Scheitern an der undemokratischen Fünfprozenthürde bestätigt, an Einfluss und Stabilität gewinnen könnte, wird sich noch zu zeigen haben. Gegenwärtig überdeckt die Einigkeit der Forderung nach Neuauszählung die auf ihrem Parteitag deutlich gewordenen Differenzen in einer ganzen Reihe von politischen Fragen – insbesondere zwischen der Führung um Wagenknecht herum und den Landesverbänden in Thüringen und anderen ostdeutschen Bundesländern. Der gewerkschaftliche Flügel der nun als „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ firmierenden BSW hat in Magdeburg zwar klare linksgewerkschaftliche Positionen vertreten, selbst aber inhaltlich wie personell eher eine Nebenrolle gespielt. Zeigen wird sich auch, ob der Rückzug der Parteigründerin und bisherigen Namensgeberin aus dem Vorstand in die Position der Leiterin einer neuen „Grundwertekommission“ die Aufgabe, den Laden zusammenzuhalten, wirklich erleichtert – oder ob das die Zentrifugalkräfte verstärkt.
Bemerkenswert an den Debatten jedenfalls war die Dominanz parteiinterner und parlamentsfixierter Themen- und Streitpunkte. Bei erfrischender Klarheit in der Unterstützung der jüngsten Bewegungen gegen die Wehrpflicht spielten Kämpfe aus den Betrieben und auf den Straßen oder gar eine Orientierung auf sie als das jetzt wichtigste Kampffeld der jungen Partei eine geringe Rolle. So wie das BSW auf das Verfassungsgericht warten viele linke, klassenkämpferisch orientierte und für den Frieden auf der Straße kämpfende Menschen noch auf die Hinwendung der neuen Partei zur letztlich immer entscheidenden außerparlamentarischen Opposition in den Betrieben und Stadtteilen dieses Landes.



![UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis] UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]](https://www.unsere-zeit.de/wp-content/uploads/2021/04/Banner_800x90_Probeabo_Rahmen.jpg)





