Am Donnerstag dieser Woche hat ein französisches Gericht in einem Glyphosat-Entschädigungsprozess pro Bayer entschieden und die Haftungsansprüche der Familie Grataloup „für unzulässig“ erklärt.
Ihr Sohn Théo kam 2008 mit schweren Fehlbildungen zur Welt. So war etwa seine Speiseröhre mit der Luftröhre verwachsen. Auch der Kehlkopf wies Deformationen auf; Stimmbänder fehlten ganz. Bis heute musste er über 50 Operationen über sich ergehen lassen. Das Ehepaar machte dafür das Herbizid verantwortlich, das Sabine Grataloup regelmäßig auf ihrer Reitanlage ausgebracht hatte, und reichte im Jahr 2018 Klage gegen die Bayer-Tochter Monsanto ein.
„Das ist natürlich eine Enttäuschung“, erklärten Sabine und Thomas Grataloup nach der Urteilsverkündung. Nicht zuletzt, weil der französische „Entschädigungsfonds für die Opfer von Pestiziden“ die Anomalien Théos eindeutig auf das Mittel zurückgeführt hatte, waren sie zuversichtlich gewesen.
Der Leverkusener Multi reagierte erwartungsgemäß erleichtert. Nachdem der Agro-Riese zunächst pflichtschuldig „sein ganzes Mitgefühl für die Familie Grataloup zum Ausdruck“ gebracht hatte, spulte er wieder routiniert das übliche Glyphosat-Programm ab. Demnach „gibt es zu Glyphosat einen wissenschaftlichen Konsens, der von den europäischen und französischen Gesundheitsbehörden bestätigt wurde. Es ist insbesondere nicht als teratogener Stoff eingestuft, d. h. als Stoff, der angeborene Fehlbildungen verursachen kann, und auch nicht als reproduktions- oder entwicklungsgefährdend“.
Die Coordination gegen Bayer-Gefahren ließ das nicht gelten. „Zahlreiche Studien belegen die frucht-schädigende Wirkung von Glyphosat. Dies hätten die Richter nicht ignorieren dürfen. Aber offenbar trauen sich nur US-amerikanische Gerichte, Urteile gegen Agro-Riesen wie Bayer zu fällen“, erklärte die Initiative aus Düsseldorf.
Auch die Grataloups gehen in ihrer Erklärung zum Spruch des Gerichts auf diese transatlantischen Unterschiede ein. Zudem klagen sie über den immensen Aufwand, den sie betreiben mussten, um sich auf der Suche nach wissenschaftlichen Belegen für die Gefährlichkeit von Glyphosat durch Studien zu arbeiten. „Es ist dringend notwendig, dass der Gesetzgeber Pestizid-Opfer mit Gesetzen schützt, die diese Beweisschwierigkeiten und die Strategien der großen Chemiekonzerne zur Verwässerung ihrer Verantwortung berücksichtigen“, forderten sie deshalb.
Entmutigen lassen sie sich jedoch nicht. Sie haben viel Unterstützung erfahren und fühlen sich vor allem durch den großen Widerstand gegen das Gesetz „Duplomb“ gestärkt, das unter anderem den Gebrauch zweier bisher verbotener Pestizide wieder erleichtert. Über zwei Millionen Franzosen haben bisher eine Petition gegen dieses Paragrafen-Werk unterzeichnet. „Wir waren allein, David gegen Goliath, jetzt sind wir Millionen“, halten Sabine und Thomas Grataloup fest. Sie kündigen an, in Berufung zu gehen.
Unser Autor ist Mitglied des Vorstands der Coordination gegen Bayer-Gefahren.