Auf dem „Europäischen Polizeikongress“ diskutieren Hardliner, wie Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden können

Kaderschmiede für Demokratieabbau

Wenn innenpolitische Hardliner, Mitarbeiter aus Polizei, Geheimdiensten und Militär und private IT-Firmen sich zu einem Kongress zusammenfinden, der unter dem Motto „Rechtsstaat durchsetzen“ steht, ist größte Vorsicht geboten. So auch beim „23. Europäischen Polizeikongress“, der am 4. und 5. Februar im „Berlin Congress Center“ (bcc) am Alexanderplatz stattfinden wird.

Die Bedeutung dieser Tagung wird häufig unterschätzt. Dabei werden hier die Grundlagen für die Verschärfungen der Polizeigesetze geschaffen und neue Waffen- und Überwachungssysteme vorgestellt. „Der Europäische Polizeikongress ist ein internationaler Kongress für Entscheidungsträger von Polizei, Sicherheitsbehörden und Industrie. Ziel ist es, den Dialog zwischen den Behörden zu stärken und den Teilnehmern neue Kontakte zu Kollegen aus der ganzen Welt zu ermöglichen“, heißt es auf der Internetseite der Veranstalter. Damit geben diese unumwunden zu, dass sie das – aufgrund der Verbrechen während des deutschen Faschismus erwachsene – Trennungsverbot von Geheimdiensten und Polizeibehörden noch weiter ad absurdum führen wollen.

Auch die Finanzierung der Tagung, an der nach Angaben des „Behördenspiegels“, einer Zeitung für den Öffentlichen Dienst, jährlich „etwa 1.950 Experten aus mehr als 20 Ländern“ teilnehmen, wirft Fragen auf. So hatte Sylvia Gabelmann, Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, sich kürzlich an die Bundesregierung gewandt, um in Erfahrung zu bringen, ob die Tagung von Ministerien kofinanziert werde. Offiziell erhalten die Veranstalter der Tagung zwar auch in diesem Jahr keine finanzielle Unterstützung. Sie wird den Organisatoren jedoch durch die Zahlung horrender Gebühren für die Durchführung von Informationsständen und die Abstellung von Personal aus verschiedenen Behörden zuteil. „Diese mindestens fragwürdige Mitfinanzierung des Polizeikongresses muss vom Bundesrechnungshof und dem Bund der Steuerzahler überprüft werden“, forderte Gabelmann.

In diesem Jahr wird es eine Reihe von Protestaktionen gegen den Kongress geben. Verschiedene Organisationen haben angekündigt, gegen den Kongress und für die Verteidigung demokratischer Rechte auf die Straße zu gehen. Tatsächlich soll es bereits diesen Freitag eine Demonstration geben, die sich gegen das Treffen der rechten Hardliner richtet. Auch ein Gegenkongress ist für dieses Wochenende angesetzt. „Mit dem ‚Entsichern‘-Kongress am 1. und 2. Februar werden wir einen Gegenstandpunkt zum europäischen Polizeikongress einnehmen, weiterhin aber auch aktuelle Diskurse aus der radikalen Linken vertiefen. Wir haben uns deshalb entschieden, Themenschwerpunkte zu setzen, welche auch auf dem Polizeikongress vorkommen – so zum Beispiel die fortschreitende Digitalisierung und Überwachung der Gesellschaft, Grenzsicherheit und die Militarisierung der Repressionsorgane“, kündigen die Veranstalter an.

Aufwind dürften die Proteste auch aufgrund der Erschießung der linken Aktivistin Maria B. bekommen, zu der es vor knapp einer Woche in Berlin-Friedrichshain gekommen war. Am vergangenen Freitag hatte ein Mitbewohner der 33-jährigen die Polizei gerufen, weil diese ihn mit einem Messer bedroht haben soll. Als die Einsatzkräfte eintrafen, befand sich die junge Frau, die unter psychischen Problemen gelitten haben soll, in ihrem Zimmer. Als die Beamten die Tür aufbrachen, soll Maria B. mit einem Messer auf die Einsatzkräfte zugelaufen sein. Ein 28-jähriger Beamter machte nach einer Androhung von der Schusswaffe Gebrauch und traf Maria B. tödlich in den Oberkörper.

Die Demonstration gegen den Polizeikongress startet am Freitag, den 31. Januar, um 19 Uhr am Richardplatz in Berlin-Neukölln. Der „Entsichern“-Kongress beginnt am Sonnabend ab 10 Uhr in der Schule für Erwachsenenbildung (SFE), Gneisenaustr. 2A, in Berlin Kreuzberg.
Mehr Infos unter: entsichern.noblogs.org

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"Kaderschmiede für Demokratieabbau", UZ vom 31. Januar 2020



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