Kommen wir gleich zur Frage der Agitation: „Stereolab“ tragen ihre politischen Aussagen wie ihre Musik recht subtil vor. Für sich allein genommen sind die Liedtexte stärker, gar offen marxistisch. Aber in der ruhigen, wenn auch umfangreichen Stimme Lætitia Sadiers und in den feinen wie besonnenen, teils komplexen Arrangements von Tim Gane scheinen sie manchmal unterzugehen. Oder anders: Selbst „French Disko“, ihre Hommage an die Französische Revolution, sorgt auf einer 1.-Mai-Demo nicht für aufgepeitschte Massen. Wer lieber auf agitatorische Lieder setzt, der höre besser unsere Klassiker (aus dem UZ-Shop).
Und doch sind „Stereolab“ „unsere Leute“, denn sie gehören nicht nur dem Agitprop, sondern der Klassik an. Jener Strömung, die sich seit Jahrtausenden politisch wie künstlerisch der Verteidigung der Vernunft verschrieben hat. Deren Referenzen nicht der bürgerlichen Distinktion dienen, sondern als Bearbeitungen oder offene Einflüsse ermutigen, in ein Werk einzutauchen, den Verweisen zu folgen und weitere Schätze zu entdecken. Beispiele bei „Stereolab“? Der Bandname ist von zwei Labels gemopst, die seit den 1950ern klassische, traditionelle als auch moderne Musik verlegen. Der neue Albumtitel „Instant Holograms On Metal Film“ stammt aus einem australischen Elektronik-Fachmagazin von 1970. Und politisch adelte das Nebenprojekt Sadiers neben Leibniz auch Luxemburg. Einmal tief einatmen und dann Kopfsprung ins Meer der Verweise.
Das aktuelle Album knüpft inhaltlich wie musikalisch an das Vorwerk der Bandgeschichte 1990 bis 2010 an: Ausgefeilte, harmonische Melodie- und Liedstrukturen des Duos Sadier/Gane einerseits, freundliche Beschimpfungen der Bourgeoisie plus Hoffnung auf deren Überwindung anderseits. Die dabei selbstverständlich vorgetragene Souveränität in Ton und Text ist beinahe frech: man könnte meinen, die Zeiten halten weiter an, in denen Subkultur mit einem linken, revolutionären Zeitgeist einherging. Selbst auf den Konzerten in Hamburg und Berlin war nicht nur der Verfasser dieses Artikels begeistert, als Sadier zwischen Liedern von Revolution, der kapitalistischen Unterdrückung oder der Wichtigkeit der Hoffnung sprach.
Natürlich gibt es auf „Instant Holograms On Metal Film“ auch melancholische Stimmungen, man ist nicht unbeeinflusst vom Zustand der Welt, nur, kapituliert wird vor ihm nicht. Die imperialistische Kriegsökonomie, die damit einhergehende Zensur und die alles durchdringende Ideologie werden prägnant, aber ästhetisch kritisiert. Auch die (bürgerliche) Betäubung als Flucht vor der barbarischen Realität des Systems wird angeprangert: Man kann sich das alltägliche Elend nicht mehr wegsaufen oder -fressen, egal, wie edel oder exklusiv der Konsum ist.
Dieser Kritik zur Seite steht in den Liedern der Glaube an Fortschritt durch gemeinsames Handeln der Unterdrückten. Es mag durchaus spirituell wirken, wenn Sadiers Idee dieses Zusammenhalts poetisch ins Abstrakte tänzelt, statt direkt den Eintritt in eine französische, britische oder sonstige Kommunistische Partei zu fordern. Der Grund ist wieder einer aus der Klassik: Wie ein Schuster bleiben Künstler besser bei ihren Leisten, brillieren in der jeweiligen Kunstgattung als auch -richtung und schauen, welche Botschaften wo und wie direkt beigefügt werden. Nicht alles muss man direkt heraus ansagen oder brüllen, sonst fehlt die Harmonie und Kunst.
Wir schließen den Kreis: Wer einer vernünftigen Kommunistischen Partei (wie der Herausgeberin dieser Zeitung) angehört, es noch vorhat oder ihr nur Sympathie (durch ein UZ-Abo) schenkt, kann und sollte mal in das Werk von „Stereolab“ eintauchen. Gerade in Zeiten sich verschlimmernder Auswüchse des Imperialismus tut uns Genossen zwischendurch ihre Harmonie, Gelassenheit und ihr Optimismus gut. Denn Sadier und Gane halten wie einst Ronald M. Schernikau („Der Kommunismus wird siegen werden“) an der Hoffnung auf Fortschritt unserer Gattung fest.
Stereolab
Instant Holograms On Metal Film
2 x LP/CD/Download
Warp Rec./Duophonic UHF
12. Juni München, Feierwerk (Hansa 39)
16. Juni Wien, Aula
19. Juni Schorndorf, Club Manufaktur
20. Juni Luxemburg, Den Atelier