Schulstreik gegen Wehrpflicht: Rede von Siw Mammitzsch aus Essen

Kein Gehalt der Welt

55.000 Schülerinnen und Schüler haben am Freitag gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht gestreikt. An vielen Orten bekamen sie Unterstützung von Eltern, Großeltern und Friedensfreunden. In Essen sprach Siw Mammitzsch für das Bündnis „Eltern gegen Wehrpflicht“. Wir dokumentieren ihre Rede in voller Länge:

Wir Eltern gegen Wehrpflicht unterstützen unsere Kinder und euch alle bei eurem heutigen Schulstreik!

Die Bundesregierung plant einen der tiefsten Eingriffe in die
Selbstbestimmung junger Menschen: die Wiedereinführung der Wehrpflicht.
Das bedeutet, dass ihr nach der Schule nicht frei entscheiden könnt, welchen Weg ihr einschlagt. Ihr sollt zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden.

Wir lehnen das entschieden ab. Kinder sollen selbst über ihr Leben bestimmen,
statt in militärische Strukturen gezwungen zu werden!

Gleichzeitig zeigt dieses Vorhaben, wo die politischen Prioritäten liegen. Während Schulen marode sind, Lehrkräfte fehlen und Familien für Klassenfahrten oder digitale Ausstattung tief in die Tasche greifen müssen, soll plötzlich Geld da sein, um aufzurüsten und Jugendliche für den Militärdienst zu gewinnen – mit Gehältern, von denen Azubis im zivilen Bereich nur träumen können.

Doch kein Gehalt der Welt kann ausgleichen, dass man hier zum Töten und als Kanonenfutter ausgebildet wird.

Ständig wird uns in den Medien eingehämmert, wir müssten „verteidigungsfähig“ werden. Deswegen brauche es eine Wehrpflicht. Aber gegen wen denn? Deutschland ist Teil der NATO, dem stärksten Militärbündnis der Welt. Die Geschichte hat gezeigt, dass es eher die NATO war, die überall auf der Welt Kriege angezettelt hat. Nicht für uns oder unseren Frieden sollt ihr an die Front, sondern für die, die an Kriegen verdienen.

Wir sind auch mit jenen solidarisch, die heute aus Angst vor Repressionen in der Schule nicht gekommen sind. Solidarität ist unsere Stärke! Die Schulleiter können noch so viel drohen. Sie können nicht hunderte Schüler gleichzeitig der Schule verweisen.

Unsere Kinder haben ein Recht auf gute Bildung, sichere Perspektiven und freie Entscheidungen über die eigene Zukunft – jenseits von Kriegsdienst und Kriegsvorbereitung.

Deshalb stehen wir heute an eurer Seite und streiken mit euch.

Wir fordern Milliarden für Bildung, bessere Ausbildungsplätze, das Klima und für unsere Zukunft – statt für Waffen!

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