Canada Post: Private Logistikunternehmen verdrängen öffentlichen Anbieter aus dem lukrativen Teil des Markts

Künstliche Krise

Stéphane Doucet, People’s Voice, Kanada. Übersetzung und Bearbeitung: UZ

Lieferungen vor die Haustür sind zu einem zentralen Bestandteil des Lebens in Kanada geworden – egal ob Restaurantbestellungen, Lebensmittel­einkäufe oder Online-Shopping. Diese dramatische Verlagerung hin zur Hauszustellung, die in den letzten zehn Jahren noch einmal rasant zugenommen hat, wird oft als Triumph der Bequemlichkeit und der Vielfalt des Marktes gefeiert. Hinter der Fassade dieser boomenden Branche verbirgt sich jedoch ein krasser und beunruhigender Widerspruch: Während unsere Abhängigkeit von Zulieferdiensten drastisch zunimmt, wird die öffentliche Post des Landes in eine künstliche Finanzierungskrise getrieben.

Der Niedergang von Canada Post ist kein Ergebnis der marktwirtschaftlichen Entwicklung, sondern eine direkte Folge davon, dass private Unternehmen die profitabelsten Dienstleistungen der Post unter sich aufteilen durften. Dieses Modell eines fragmentierten, gewinnorientierten Wettbewerbs ist nicht nur ineffizient, sondern untergräbt auch gezielt eine wichtige öffentliche Einrichtung. Die Lösung wäre, die Hauszustellung wieder als öffentliches Monopol zum Wohle aller zurückzuerobern.

Menschen in ganz Kanada verlassen sich mehr und mehr auf die Hauszustellung. Im Jahr 2022 nutzten 27 Millionen Menschen in Kanada (69 Prozent der Bevölkerung) Online-Einkäufe, um zumindest einen Teil ihrer Bedürfnisse zu befriedigen. Laut Statistics Canada ist die Zahl der Beschäftigten im Zustelldienst zwischen 2022 und 2023 um 19 Prozent gestiegen. Das heißt, dass fast 300.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Sektor beschäftigt sind.

Canada Post ist ein öffentlicher Dienst, der auch sehr abgelegene und teils von der Außenwelt abgeschnittene Gemeinden im ganzen Land anbindet und daher nicht den marktwirtschaftlichen Maßstäben von Rentabilität unterliegen sollte. Die massiven finanziellen Verluste der Canada Post sind künstlich herbeigeführt worden. Sie sind zum großen Teil auf das Vordringen großer Unternehmen in einen Bereich zurückzuführen, in dem Canada Post ein echtes öffentliches Monopol haben sollte. Denn die privaten Konkurrenten dringen in den lukrativsten Teil des Geschäfts der Canada Post vor. Anstatt die „Effizienz zu steigern”, ist diese Form des Wettbewerbs ein gutes Beispiel dafür, wie verschwenderisch und ineffizient kapitalistische Märkte sind. Ein rationaler und geplanter Ansatz für die Wirtschaft, der auf den Bedürfnissen der Menschen und auf ökologischer Nachhaltigkeit basiert, könnte Ressourcen sparen und bessere Dienstleistungen zu niedrigeren Kosten bieten.

Canada Post ist das einzige Unternehmen, das eine Zustellung von Tür zu Tür anbietet und dafür rund 25.000 Zusteller beschäftigt. Die anderen Unternehmen bieten diesen Dienst nicht an, da er nicht rentabel ist. Als Argument für Kürzungen sowie den Abbau von Dienstleistungen und Stellen führt das Management von Canada Post an, dass der öffentliche Dienst 2019 62 Prozent der in Kanada versandten Pakete befördert hat, 2024 waren es nur noch 24 Prozent. Der private Sektor hat also durch niedrigere Preise in einem ganz bestimmten Marktsegment einen großen Anteil von der Canada Post übernommen. Die bereits erzielten Milliardengewinne wollen die Privaten weiter steigern. Unter den Konkurrenten der Canada Post befindet sich übrigens die Firma Purolator, die zu 91 Prozent der Canada Post gehört.

Die Milliardengewinne im privaten Sektor sind das Ergebnis der Ausbeutung von Zustellern. Sie werden in der Privatwirtschaft sehr schlecht bezahlt und sind oft nicht gewerkschaftlich organisiert. Diese Profite gehen zu Lasten der finanziellen Stabilität der öffentlichen Post. Unternehmen wie Intelcom liefern Amazon-Pakete aus, die eigentlich von Canada Post zugestellt werden sollten, was Hunderte Millionen Dollar für den öffentlichen Dienst einbringen und Tausende gut bezahlte, gewerkschaftlich organisierte Arbeitsplätze sichern würde. Die Vielzahl konkurrierender Zustelldienste im selben Gebiet führt darüber hinaus zu einem enorm verschwenderischen und ineffizienten System für Hauszustellungen. Ein öffentliches Monopol würde all diese sehr realen gesellschaftlichen Missstände beseitigen.

Der Kampf um den Erhalt und Ausbau von Canada Post ist kein revolutionärer Kampf, aber er kann den Menschen helfen, die allgemeinen historischen Dynamiken zu verstehen, die in der Wirtschaft wirksam sind. Ein klareres Verständnis dieser Dynamiken kann den arbeitenden Menschen dabei helfen, sich den größeren politischen Problemen zu stellen, mit denen sie heute konfrontiert sind und die in den kommenden Jahren nur noch gravierender werden.

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"Künstliche Krise", UZ vom 19. Dezember 2025



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