Vor allem die Rede des sich nun offiziell „Kriegsminister“ nennenden Pete Hegseth wird noch lange nachklingen. Vermutlich werden Offiziere rund um den Globus – insbesondere wahrscheinlich in China – sie in voller Länge vorgespielt bekommen. Ohne viel Zeitvorlauf waren die 800 ranghöchsten Offiziere der US-amerikanischen Streitkräfte Anfang Oktober nach Virginia beordert worden, um sich dort in einer zweistündigen Veranstaltung zwei Reden anzuhören: Erst die des Kriegsministers, dann die des Präsidenten und Oberbefehlshabers dieser Kriegsmaschine, Donald Trump.
Nach der Rede Hegseths war es so ruhig im Saal, dass Trump witzelte, er sei noch nie in einen so stillen Raum gekommen. Das war nicht verwunderlich nach der Rede Hegseths, einer Einstimmungsrede auf „Krieg, Krieg, Krieg“. Es müsse, so der Minister, Schluss sein mit der ganzen „wokeness“ der Vorgängerregierung, mit allen Nebenthemen, die davon ablenken würden, dass die Armee nur ein Ziel habe: Kriege zu führen und zu gewinnen. Alles müsse auf das Schlachtfeld hin ausgerichtet sein. Das Militär sei anders als die Zivilgesellschaft – es gehe ausschließlich um „Leben oder Sterben“. Er kündigte gleich zu Beginn eine weitere Rede an, in der er sich mit der „Abschreckung Chinas“ befassen wolle. Heute aber wolle er sich darauf konzentrieren, die Voraussetzungen innerhalb der Streitkräfte klarzumachen, die erfüllt sein müssten, um „jeden Krieg, den wir beginnen oder der uns aufgezwungen wird“, zu gewinnen und die „Feinde zu zerschmettern“.
Es war eine Rede zu Herstellung der inneren Kriegsfähigkeit, der eine Reihe konkreter Direktiven folgen würden. Sie ist hierzulande – zum Teil mit amüsiertem Unterton – in mehreren Medien reduziert worden auf seine Ankündigung, künftig fette oder unrasierte Generäle nicht mehr zu dulden. Die Kombination dieser Kriegseinstimmung mit der anschließenden Rede des Präsidenten verbietet solche Späße.
Vorbereitung auf den großen Krieg
Trump stellte das Land und seine Streitkräfte in die Traditionslinie „Sparta – Rom – British Empire – USA“, konzentrierte sich aber vor allem auf die innenpolitischen Voraussetzungen, um dieser Tradition würdig zu sein. Er erklärte Städte wie Chicago, San Francisco und Los Angeles zu Trainingsgebieten, in denen bewiesen werden solle, dass mit dem Einsatz militärischer Gewalt wieder Ruhe einziehen werde, wo jetzt das Chaos herrsche. Der Zusammenhang macht klar: Das 340-Millionen-Volk der USA soll in der Tradition Spartas und Roms getrimmt werden auf einen Krieg zur Beherrschung des ganzen Erdballs. Dazu müssen das Militär, der Staatsapparat, letztlich die ganze Gesellschaft so umgebaut werden, dass sie diesem Ziel dienen. In Virginia ist das Programm des militaristisch-reaktionären Staats- und Gesellschaftsumbaus in seltener Klarheit vorgetragen worden.
Die Dominanz der USA ist gebrochen
Das Sammeln der Kräfte zur Vorbereitung auf den großen Krieg geschieht vor dem Hintergrund des Bewusstseins, dass diese Kräfte schwinden. Zwei unübersehbare Tatsachen sind auch den herrschenden Kreisen der USA nicht verborgen geblieben. Das eine ist der Zerfall ihrer eigenen Gesellschaft. Was sie als Chaos in ihren großen Städten bezeichnen, ist der vorläufige Endpunkt einer jahrzehntelangen Deindustrialisierung, einer materiellen und sozialen Verelendung von Millionen vor allem junger Menschen in den abgehängten Slums dieser Großstädte. Wer mit dem Slogan „Make America Great Again“ (MAGA) durch das Land zieht, weiß, dass das Land nicht „großartig“ ist. Das gilt auch für die Stellung dieses Landes in der Welt. Die US-amerikanische Dominanz, die diesen Staat in den 1950er Jahren zum ökonomischen Zentrum eines großen Teils der Welt gemacht hat, ist gebrochen. Sie sind weder bei Autos noch bei Flugzeugen noch in der Schiffsproduktion noch bei Zukunftstechnologien wie Halbleitern oder künstlicher Intelligenz die führende Macht, sondern hinken in immer mehr Bereichen anderen – insbesondere China – hinterher. Sie sind noch nicht einmal mehr kulturell führend: Statt aus Hollywood kommen die meisten Kassenschlager in der Musik- und Filmindustrie inzwischen aus Indien oder China.
Der Versuch, das Blatt noch einmal zu wenden, ist in seinem Kern militärisch angelegt – deshalb die Steigerung des Kriegsetats auf erstmals mehr als eine Billion Dollar. Aber das große MAGA-Projekt hat weitere Bestandteile. Die Zollpolitik der USA verbindet zwei Ziele miteinander: Hinter den hochgezogenen Mauern, die nur noch ausgesuchte ausländische Waren ins Land lassen sollen, soll die seit Jahrzehnten zerrüttete US-amerikanische Industrie wieder aufblühen. Sie soll das zweitens mit dem Geld tun, das dank der Zölle, die eben eine Reihe von Waren doch noch ins Land lassen, von den Industrien „befreundeter“ Nationen aufgebracht wird. Gemeint sind damit vor allem die Industrieunternehmen Westeuropas, Japans und Lateinamerikas.
NATO-Partner sollen mitmarschieren
Kulturell wird – wie hierzulande die FAZ am letzten Wochenende formulierte – mit einem „Christentum im Kampfmodus“ operiert, das mehr und mehr ein „apokalyptisches Denken“ auspräge. In der Tat wird es schwer sein, eine einzige längere Rede von Trump oder Hegseth zu finden, in der nicht das Christentum bemüht und dies mit Andeutungen verbunden wird, der Tag des jüngsten Gerichts rücke näher – also der Krieg, auf den alles in diesen Planungen hinausläuft. Ein weiteres wichtiges Element: Von den in der NATO zusammengeschlossenen Bündnispartnern wird kategorisch eine ähnliche Kriegsformierungsleistung verlangt. Wer das inzwischen von 2 auf 5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung für die Aufrüstung ausgegebene Marschziel nicht mitgeht, fliegt. Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein, um es alttestamentarisch auszudrücken.
Nationalgarde gegen aufkeimenden Widerstand
Gegen diesen christlich verbrämten Marsch in die Apokalypse bilden sich sowohl innerhalb der USA als auch innerhalb der Vasallenstaaten Gegenkräfte heraus. Vor allem mit Blick auf sie sollen Nationalgarde und notfalls Militär in Bereitschaft gehalten und in Marsch gesetzt werden. Das wird auch deshalb nötig sein, weil der Unmut in den USA wächst. Die Massenentlassungen der Trump-Regierung, die zehntausende bisher beim Staat angestellter Menschen in die Arbeitslosigkeit geworfen haben, die nicht erfüllten Hoffnungen auf einen ökonomischen Aufschwung und Masseneinstellungen in der Fertigungsindustrie erzeugen ein um sich greifendes Gefühl von Enttäuschung, Frust und aufkeimendem Widerstand.
Um dieses Kriegsschiff, das da Kurs auf uns alle nimmt, zum Kentern zu bringen, werden die Kräfte des Friedens und des Fortschritts ebenfalls alle ihre Kräfte bündeln müssen. Trump beendete in Virginia seine Rede mit dem Ruf „Fight – Fight – Fight – Win – Win – Win!“. Wenn sich der Widerstand in den USA mit einer Verweigerung der Völker Westeuropas, diesen Wahnsinn mitzumachen, und der ruhigen Zuversicht der ökonomischen, kulturellen und auch militärischen Entwicklung der BRICS-Staaten verbindet, werden sie nicht durchkommen – all ihren Sparta-Rom-USA-Phantasien zum Trotz.