Am 30. April 1945 rettete der 22-jährige Feldwebel der Roten Armee Nikolai Massalow unter Beschuss mitten in Berlin an der Potsdamer Brücke ein etwa dreijähriges Mädchen. Es saß weinend neben seiner toten Mutter am Ufer des Landwehrkanals und rief nach ihr. Seine Tat inspirierte den sowjetischen Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch zu dem Denkmal des Befreiers, das 1949 im Treptower Park eingeweiht wurde. Sein Name wurde – wie der von 15 anderen in der DDR geehrten – im Jahr 1992 von der Liste der Berliner Ehrenbürger gestrichen. Im Jahr 2021 weigerte sich der Berliner Senat aus SPD, Grünen und „Die Linke“, Massalow erneut als Ehrenbürger anzuerkennen. Nun hat die Künstlerin Bärbel Brede einen Offenen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegener (CDU) verfasst, um einen neuen Anlauf für die Ehrung Massalows zu initiieren. Der Brief wurde inzwischen von zahlreichen weiteren Menschen unterzeichnet. Wir dokumentieren den Offenen Brief an dieser Stelle.
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister von Berlin, Kai Wegener,
bei der diesjährigen Gedenkfeier am Treptower Ehrenmal zum achtzigsten Jahrestag der Befreiung vom Faschismus erfuhr ich die Geschichte des Ehrenmals „Rotarmist mit dem Kind“.
Dem Künstler und Bildhauer, Jewgeni Wutschetisch, Erbauer vieler Ehrenmale, unter anderem der berühmten Skulptur „Schwerter zu Pflugscharen“, welches im Garten des UNO-Hauptquartiers in New York steht, diente sie als Motiv für seinen künstlerischen Entwurf.
Als Bildende Künstlerin war ich sehr berührt von der wahrhaft menschlichen und mutigen Heldentat des Sergeanten der Roten Armee und empfand gleichzeitig große Hochachtung für die enorme künstlerische Leistung Jewgeni Wutschetitschs, so dass ich mich entschloss, eine Hommage an ihn und sein Motiv zu gestalten.
Der Titel meines Bildes trägt die Botschaft des Künstlers: „Dich wollte ich tragen und trösten.“
Die authentische und historisch belegte Tat des sowjetischen Soldaten Nikolai Massalow, der unter der Gefahr, sein eigenes Leben zu verlieren, ein kleines deutsches Kind vom Straßenrand rettete, brachte ihm hohe Wertschätzung und die Anerkennung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin ein.
Leider, und das ist der Grund meines Schreibens an Sie, wurde ihm diese Ehre nach Auflösung der DDR im neuverwalteten Berlin der BRD nicht weiter zuerkannt. Zwar gibt es am Ort des Geschehens eine Gedenktafel, was jedoch in keiner Weise einer wertschätzenden Verleihung der Würde einer Ehrenbürgerschaft entspricht.
Wie der Künstler Jewgeni Wutschetitsch sich mit seiner Kunst zeitlebens für Völkerverständigung eingesetzt hat, bitte ich Sie in diesem Sinne herzlich darum, Nikolai Iwanowitsch Massalow als Ehrenbürger der Stadt Berlin postum wieder anzuerkennen.
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Brede