„Jetzt werden es in diesem Jahr halt Ausstechplätzchen. So das günstigste Rezept“, erzählt Nadine Rosenberger dem „Saarländischen Rundfunk“. Die Alleinerziehende lebt mit ihren achtjährigen Zwillingstöchtern in Saarbrücken. Peggy Franz lebt in der Bodenseeregion mit ihren drei Kindern. Als Köchin verdient sie 2.800 Euro netto. Sie muss umziehen, da die alte Wohnung gekündigt wurde. Gegenüber dem SWR sagt sie: „Dieses Jahr steht gar nichts auf dem Wunschzettel. Was ich erarbeite, muss ich schnell wieder ausgeben für Lebensnotwendiges.“
So wie Nadine und Peggy könnte es bald noch mehr Menschen in Deutschland gehen: „Die Insolvenzgeschehen in Deutschland zeigen einen dynamischen Anstieg in der Zahl der Firmenpleiten“ – so das Statistische Bundesamt Anfang Dezember. Die Amtsgerichte meldeten 17.847 Insolvenzanträge und damit 23,1 Prozent mehr als bis November 2024 – „der höchste Stand seit 2015“. Vor allem Einzelhändler und Betriebe des Gastgewerbes schlossen ihre Türen.
Regional ist Ostdeutschland von den Firmenpleiten am stärksten betroffen. Da jeder Anstieg bei Firmeninsolvenzen mit unerbittlicher Logik Arbeitslosigkeit nach sich zieht, wird vor allem in diesen Landesteilen die Verarmung zunehmen.
Am 3. Dezember verabschiedete das Bundeskabinett den „Siebten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“. Originalton Bundespresseamts-Deutsch: „Zu den neu gesetzten Schwerpunkten des Siebten Armuts- und Reichtumsberichtes gehört die vertiefte Auseinandersetzung mit der Nichtinanspruchnahme von Mindestsicherungsleistungen, da diese die Wirksamkeit von Armutsbekämpfung und sozialpolitischen Maßnahmen einschränkt.“ Übersetzung: Menschen wie Nadine und Peggy sind selbst schuld, weil sie die Leistungen nicht in Anspruch nehmen. Ein Hohn für alle, die schon mal einen Antrag auf Bürgergeld gesehen haben: Man könnte meinen, die „Nichtinanspruchnahme“ solle mit dem Formular gefördert werden.
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge kommentierte folglich: „Nicht erwähnt wird jedoch die extrem hohe Dunkelziffer bei der Grundsicherung im Alter. Von drei Seniorinnen und Senioren, die Grundsicherungsleistungen erhalten würden, beantragt sie nur eine Person. Mittlerweile beziehen über 750.000 Menschen die Grundsicherung.“ Real heißt es also für über zwei Millionen Alte in diesem Land: sparen, auch zu Weihnachten.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe wies darauf hin, dass mittlerweile 1.029.000 Menschen bei Freunden und Bekannten oder in Notunterkünften nächtigen, weil sie sich aufgrund der explodierenden Mieten keine eigene Wohnung leisten können – durch die offiziellen Zahlen aber geistert weiter die verniedlichende Zahl von 56.000 Obdachlosen, die offiziell auf der Straße leben.
Bereits im April warnte der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband vor einem spürbaren Wachstum des Armutsrisikos bei Jugendlichen, denn „junge Erwachsene im Alter von 18 bis unter 25 Jahren“ seien „überproportional von Armut betroffen“.
Das wurde seitens der Bundesregierung ganz offensichtlich aufmerksam registriert – allerdings nicht, um die beruflichen Perspektiven für die Jugend dieses Landes zu verbessern, sondern um ihre zunehmende Notlage kalt und zynisch auszunutzen. Sie packt deshalb gleich zwei Geschenke zu Weihnachten: Das Bürgergeld wird erneut umbenannt und soll nun Grundsicherung heißen, vor allem aber soll gestrichen und sanktioniert werden, wenn die Armen sich nicht fügen. Worein sich die jungen Armen fügen sollen, wurde am 5. Dezember beschlossen: Mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht wurden gleichzeitig eine Erhöhung des Gehalts im Grundwehrdienst und weitere finanzielle Anreize beschlossen.









