Der Friedensnobelpreis als Instrument der „Monroe-Doktrin“

Preisvergiftung

Kolumne

Die jüngste Zuerkennung des Friedensnobelpreises an die venezolanische Oppositionelle Machado kommentierte Harald Neuber in der „Berliner Zeitung“ treffend als „Fortsetzung der Monroe-Doktrin im Nobelpreis-Gewand“. Nachdem die US-Streitkräfte im behaupteten „Krieg gegen Drogen“ vor der Küste Venezuelas das vierte Schiff innerhalb von zwei Wochen versenkt hätten, trage die Nominierung Machados, die in aller Öffentlichkeit nach einer militärischen Intervention der USA ruft, den „Prägestempel westlicher Machtpolitik“. Tatsächlich ist nichts offensichtlicher, als dass mit der Tötung der zu „Rauschgiftterroristen“ erklärten Seeleute ein Exempel statuiert wurde, das man als Prolog zu einem beabsichtigten Regime-Change in Venezuela lesen muss.

Wie immer man die sich auf die Volkskräfte stützenden Entwicklungen in dem von westlichen Embargos überzogenen Land bewerten mag, niemand mit Verstand kommt umhin, die gut getimte Preisverleihung an Machado als ein kaum verhülltes geostrategisches Manöver anzusehen. Als Rückgriff auf jene selbstsüchtige „Monroe-Doktrin“, die den USA Handlungsfreiheit für die Regelung der Weltdinge nach ihrem Gusto verleihen soll. Fraglos ist damit der Geist verletzt, mit dem Nobel die Träger „seines“ Preises ausgestattet sehen wollte: dem Frieden zu dienen, zur Verbrüderung der Völker beizutragen. Leider setzt die Auszeichnung des Jahres 2025 eine Reihe von Fehlentscheidungen des norwegischen Nobel-Komitees fort, nach denen der Wert des Preises jenseits der „wertewestlichen“ Denkschablonen als getrübt oder verloren angesehen wird.

09 Kolumne koenig hartmut 1331 - Preisvergiftung - Friedensnobelpreis, María Corina Machado, Monroe-Doktrin - Positionen
Hartmut König

Neulich im Elsass, vor dem Geburtshaus von Albert Schweitzer, kam mir dieser Bedeutungsverlust zu Bewusstsein. In Ehrfurcht vor dem Leben hatte der große Humanist die Gefährdung des Friedens als die größte Not der Zeit bezeichnet. Die Völker müssten es fertigbringen, „in Verträglichkeit und Frieden nebeneinander zu leben“. Vor Schweitzer waren so herausragende Streiter für Frieden und Menschlichkeit mit dem Preis ausgezeichnet worden wie Henri Dunant, der Begründer des Internationalen Roten Kreuzes, Bertha von Suttner, Autorin der berühmten Schrift „Die Waffen nieder!“, oder der große linksbürgerliche Publizist Carl von Ossietzky. Persönlichkeiten wie Linus Pauling, der für die Beendigung der Kernwaffentests eintrat, der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, die barmherzige Mutter Teresa der Armen, die entschiedenen Anti-Apartheid-Kämpfer Nelson Mandela und Desmond Tutu oder der für seine Ostpolitik nominierte Willy Brandt erhielten ihn später. Wer deren Handeln zum Maßstab nimmt, und nur das wäre dem Preis gemäß, kann über manche Osloer Entscheidungen nach 1973 nur den Kopf schütteln.

1973 – das war das Jahr, in dem Henry Kissinger, nachdem er gerade Kambodscha bombardieren ließ, zum Preisträger gekürt wurde. Ihm wurden Verdienste zur Beendigung des Vietnamkrieges zugerechnet, den er rücksichtslos befeuert hatte. Ein weiterer Tiefpunkt war 2009 die Auszeichnung Barack Obamas für leere Worte. Was in der Begründung als „außergewöhnliche Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“ gepriesen wurde, entpuppte sich als nie eingelöster Vorschusslorbeer. Während seiner Präsidentschaft eskalierten die Drohnenangriffe auf Pakistan und Afghanistan, entgegen seinem Versprechen wurde das Folterlager in Guantanamo Bay nicht aufgelöst, nie entschuldigte er sich für die Atombombenabwürfe in Japan oder den mörderischen Vietnamkrieg. Seine Demütigung Russlands als „Regional power“ trug maßgeblich zur Vergiftung des Verhältnisses zu Moskau bei.

Nebelhaft auch die Verleihung an die Europäische Union, die sich bis heute als unfähig erweist, einen wirksamen Beitrag zur Friedenssicherung zu leisten. Unnötig zu erwähnen, dass Dissidenten aus Russland, China oder Belarus mit dem Preis bedacht wurden, um sie prominenter in die systemischen Attacken der „Westwertewelt“ einzuführen.

Einen Höhepunkt erlebten wir nun in der Nominierung der Satrapin Machado, die den halben Preis ihrem Gönner Donald Trump widmete. Kriegt der ihn im nächsten Jahr? Es steht zu befürchten, wenn sein Immobiliendeal in Gaza vorankommt.

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"Preisvergiftung", UZ vom 7. November 2025



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