Bundesanwaltschaft erlässt Haftbefehle gegen Ukrainer wegen Anschlägen auf Nord-Stream-Pipeline. Russland fordert, auch Terroranstifter zu identifizieren

Sabotagespur nach Kiew gelegt

Die Bundesanwaltschaft hat im italienischen Urlaubsort Rimini einen ehemaligen Agenten des ukrainischen Geheimdienstes SBU festnehmen lassen. Den deutschen Ermittlungsbehörden zufolge soll Sergei Kusnezow der Kopf der Sabotagegruppe sein, die am 26. September 2022 die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 gesprengt hat. Eine Auslieferung des Verdächtigen nach Deutschland lehnt der NATO-Partner Italien bisher ab. Gegen sechs weitere an dem Terroranschlag beteiligte Ukrainer liegen Haftbefehle vor. In den Mainstream-Medien ist von einem großen Durchbruch der Ermittlungen die Rede. Von einer Beteiligung und Verantwortung der US-Führung, über die der renommierte Investigativreporter Seymour Hersh berichtet, will niemand etwas wissen. Diejenigen, die vor drei Jahren lautstark Russland als Terrorpaten genannt hatten, verharren heute in Schweigen.

Wie „Die Zeit“, „Süddeutsche Zeitung“ und tagesschau.de unter Verweis auf „gemeinsame Recherchen“ – mutmaßlich lancierte Geheimdienstinformationen – berichten, soll das Nord-Stream-Kommando wie folgt besetzt gewesen sein: Neben dem mutmaßlichen Operationsleiter und Koordinator Sergei Kusmanow der Skipper Juri T., ein Wettkampfsegler aus der Hafenstadt Odessa, ein Sprengstoffexperte sowie vier Taucher, darunter eine Ukrainerin von einer privaten Kiewer Tauchschule. Ein weiterer Taucher soll ein mittlerweile getöteter ukrainischer Soldat gewesen sein, der bei der Bundeswehr im bayerischen Wildflecken eine militärische Ausbildung erhalten haben soll.

In die Anschläge waren demnach die ukrainischen Behörden involviert. So seien die Verdächtigen mit ukrainischen Originalpässen durch Polen nach Deutschland gereist, die allerdings falsche Namen enthielten. Alle Teammitglieder sollen zudem jeweils einen gefälschten rumänischen Pass mitgeführt haben. Einer der Verdächtigen ist im Sommer vergangenen Jahres in einem Auto des ukrainischen Militärattachés aus Polen in die Ukraine gebracht worden, um einer Festnahme zu entgehen. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski will von den Anschlagsplänen nichts gewusst haben.

Der nun lancierten Version zufolge soll das Sabotagekommando die Segeljacht „Andromeda“ angemietet haben, um vom Rostocker Hafen Hohe Düne auf die Ostsee zu fahren und drei von vier Pipelineröhren in 80 Meter Tiefe zu sprengen. Vier Bomben mit einer explosiven Mischung aus Oktogen und Hexogen sollen dabei zum Einsatz gekommen sein. Im Nachhinein soll das Schiff weder ordentlich gereinigt noch weitervermietet worden sein. Praktischerweise sollen die Täter Fingerabdrücke, DNA-Material und Sprengstoffrückstände hinterlassen haben.

Russland hat die erste Festnahme eines der verdächtigten Ukrainer begrüßt. „Es ist natürlich zufriedenstellend, dass die Ermittlungen laufen“, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Ich möchte glauben, dass sie zu Ende gebracht werden und dass nicht nur die Täter, sondern auch die Anstifter dieser terroristischen Handlungen identifiziert werden.“

Im politischen Berlin wird der Coup gegen die ukrainische Terrortruppe nicht nur lautstark beschwiegen. Vizekanzler Lars Klingbeil sagte der ukrainischen Führung beim jüngsten Besuch in Kiew jährlich neun Milliarden Euro an deutschen Steuergeldern für die weitere Kriegsführung zu. Es ist nicht bekannt, dass die Ermittlungsergebnisse der Bundesanwaltschaft beim Ukraine-Trip des deutschen Finanzministers auch nur thematisiert worden sind.

Politische Konsequenzen will mit Ausnahme von Sahra Wagenknecht keiner einfordern. „Was muss eigentlich noch alles aufgedeckt werden, bis die Bundesregierung die Ukraine zur Rede stellt. Das Auswärtige Amt muss den ukrainischen Botschafter jetzt einbestellen“, forderte die BSW-Vorsitzende vergangene Woche. Die jüngsten Recherchen bestätigten den Verdacht, dass der ukrainische Staat in den Anschlag auf die Pipeline „tief verstrickt“ sei. „Es kann doch nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler 50 Milliarden für Waffen und Hilfen für die Ukraine aufbringen muss und dann Ukrainer unsere Energieinfrastruktur zerstören“, betonte Wagenknecht. Und es sei „kaum vorstellbar, dass das ohne Wissen und Zustimmung der US-Geheimdienste geschah“. In jedem Fall müsse es Konsequenzen geben.

Diejenigen hingegen, die Russland eine Täterschaft in die Schuhe schieben wollen, halten dieser Tage die Füße still. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter etwa tönte vor drei Jahren noch laut, ein solcher Sabotageakt würde „zu der von Staatsterrorismus geprägten und hybriden Vorgehensweise Russlands passen“. Mit der Sabotage einer nicht genutzten Infrastruktur solle gleichzeitig das Schreckensszenario eines Angriffs auf noch genutzte kritische Infrastruktur geschaffen werden, so seine Verschwörungstheorie. FDP-Frontfrau Marie-Agnes Strack-Zimmermann sekundierte seinerzeit: „Je länger und brutaler der russische Überfall auf die Ukraine andauert, desto größer ist auch die Gefahr, dass es zu solch enthemmten Anschlägen kommt. Nicht ausgeschlossen ist, dass sie von Russland gelenkt werden, um unsere Märkte zu erschüttern.“ Johannes Peters vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel dozierte seinerzeit, Russland wollte mit der Zerstörung seiner eigenen Pipeline ein „starkes Signal“ an Europa senden, dass man Gleiches auch mit den norwegischen Pipelines machen könne. Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr, meinte, die Nord-Stream-Sprengungen seien ein Versuch Russlands, im Westen „Verwirrung zu stiften“.

Der ehemalige Außenminister Polens und damalige EU-Abgeordnete Radosław Sikorski dagegen twitterte am Tag nach dem Anschlag euphorisch: „Thank you, USA“. Der freimütige Dank für staatlichen Terror musste wieder gelöscht werden. Eine Verwicklung Washingtons wird hartnäckig als Verschwörungstheorie diffamiert, die Berichterstattung von US-Reporter Seymour Hersh über die Rolle von US-Präsident Joseph Biden totgeschwiegen.

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"Sabotagespur nach Kiew gelegt", UZ vom 5. September 2025



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