Ratlose „Wirtschaftsweise“ sagen drittes Jahr ohne Wachstum voraus

Tiefer in den Sumpf

Die fünf Professorinnen und Professoren im oft als „Rat der Wirtschaftsweisen“ bezeichneten „Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung“ haben auftragsgemäß ihr „Frühjahrsgutachten“ abgeliefert. Sie prognostizieren für 2025 das dritte Jahr ohne Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einen Sprung der Staatsverschuldung von 2,5 auf 3,4 Prozent des BIP. Noch düsterer als die Zahlen waren die Worte, mit denen die Vorsitzende Monika Schnitzer das Gutachten vorstellte. Sie sprach von einer „ausgeprägten Schwächephase“, in der sich die deutsche Volkswirtschaft befände, und rief dazu auf, „den Gürtel enger zu schnallen“. Auf sie selbst wird das vermutlich nicht gemünzt sein.

Einen Tag später legte die Bundesbank nach: Die lang andauernde wirtschaftliche Stagnation belaste zunehmend die Aussichten am Arbeitsmarkt. Eine von ihr in Auftrag gegebene Unternehmensumfrage habe gezeigt, dass die Bereitschaft für Entlassungen steige. Bisher hätten viele Betriebe – von der alten Regierung mit Worten und Kurzarbeitergeld unterstützt – versucht, mit Hoffnung auf Besserung der Auftragslage die Stammbelegschaften zu halten. Abgesehen von Betrieben der Rüstungsindustrie schwindet in den Chefetagen vieler Unternehmen diese Hoffnung. Zum letzten Wochenende unkte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) in einem Kommentar mit der Überschrift „Entlassungswillig“, wenn sich die Erwartungen in eine „wenn auch sehr langsame“ Erholung nicht erfüllten und „etwa Trump in Washington oder Merz in Berlin Unsinn“ anrichten würden, dann „kann eine Entlassungswelle sich wie aus dem Nichts schnell auftürmen“.

Dienstbeflissen verknüpfte der Rat der Weisen seine Bestandsaufnahme mit den üblichen blumigen Worten, dass es im übernächsten Jahr wieder aufwärts gehe, wenn die schuldenfinanzierten Maßnahmen zur Wirtschaftsbelebung, die die Bundesregierung auf den Weg bringen wolle, greifen würden. Noch ist davon nichts zu sehen – nur Donald Trump ist mit seiner Ankündigung auf eine (vorerst wieder aufgeschobene) 50-Prozent-Zollschranke auf fast alle Produkte der EU den Erwartungen der FAZ schon gerecht geworden.

Für die arbeitende Bevölkerung bedeuten diese Zahlen und Ankündigungen, dass sie künftig nach dem Dreiklang „kriegswillig – entlassungswillig – verarmungswillig“ tanzen sollen. Für jeden vernünftig denkenden Menschen schreien die Zahlen der „Weisen“ nach der grundlegenden Umkehr eines Kurses, der offensichtlich immer tiefer in die Sümpfe führt. Davon war in Berlin nichts zu hören – es gibt ein kollektiv gemurmeltes „Erstmal weiter so und hoffen“ von der Führungsspitze dieses Landes und ihren hochbezahlten Ratgebern mit Professorenrang.

Für jeden, der sehen kann, liegen die Alternativen auf der Hand und sind jüngst zum Beispiel vom Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) indirekt benannt worden, als er die Entscheidungen früherer Regierungen für NordStream 2 verteidigte. Wer glaubt, die Zukunft dieses 83-Millionen-Volkes bestehe im Abschneiden aller Verbindungen zum rohstoffreichen und absatzstarken Russland und der kalten Schulter gegenüber der aufstrebenden Volksrepublik China, hat die Fundamentaldaten dieser Welt nicht verstanden. Einen Aufschwung mit kreditfinanzierten Panzern und Raketen, die im besten Fall nutzlos vor sich hinrotten und im Einsatzfall in der Zerstörung dieses Landes enden, wird es genauso wenig geben wie einen, der nach Osten eine Export-Import-Mauer des Hasses errichtet und das Schicksal dieses Volkes nach Westen an die Launen im Oval Office in Washington bindet.

Einen Aufschwung gibt es erst, wenn aus der Konfrontation Kooperation und aus Kriegswilligkeit Friedensfähigkeit wird. Dann würde wieder preisgünstige Energie aus Russland nach Deutschland strömen, die Kooperation mit dem 1,4-Milliarden-Volk Chinas würde lern- und absatzwilligen Unternehmen Tore und Fenster weit öffnen und mit dem Muff dieses drohenden Merz-Winters auch die Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut vertreiben.

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"Tiefer in den Sumpf", UZ vom 30. Mai 2025



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