Konturlos rot die leere Leinwand, dazu aus dem Off eine Männerstimme, die ein Abstimmungsergebnis verkündet, das mit lauten „Égalité, ègalité“-Sprechchören bejubelt wird. Der Jubel ist das Resultat eines langen Kampfes: Das Taubira-Gesetz, das 2014 in Frankreich in Kraft tritt, erlaubt nun Ehe und Adoption auch gleichgeschlechtlichen Partnern. Der abrupte Schnitt, der die beiden Hauptfiguren ins Bild bringt, ist ein Regieeinfall von symbolischer Güte: Das „leere“ Gesetz haben die beiden Pariserinnen Céline Steyer (32) und Nadia Hamadi (37) für sich schon seit Jahren umgesetzt; nun soll auch ihr Kinderwunsch in Erfüllung gehen. In Dänemark haben sie einen passenden Samenspender gefunden, dessen Baby Céline adoptieren soll und Nadia schon sichtbar austrägt.
Doch das Gesetz ist noch nicht Realität, die „Égalité“ verdient den Namen noch nicht. Für die Behörden, die sich auf Sorgen um das Kindeswohl berufen, muss Céline erst ihre Eignung als Mutter beweisen – mit 15 „Liebesbeweisen“ aus ihrem Umfeld. Nadias kleinbürgerliche, konservative Familie hat sich gegen die lesbische Beziehung ihrer Tochter jahrelang gewehrt, nun aber will sie dem Glück der als Notfall-Zahnärztin erfolgreichen Tochter nicht mehr im Wege stehen. Céline dagegen wird in ihrem Wirkungskreis als DJ und Tontechnikerin bei ihrer Suche leicht fündig. In einer Familie mit zwei Kleinkindern darf sie schon einmal den Umgang mit Babyhaut und stinkenden Windeln oder einer renitenten Tochter „üben“. Sie hätte mit ihrer Mutter Marguerite Orgen, einer weltweit tourenden Konzertpianistin, sogar eine höchst prominente „Zeugin“. Aber die lebt in Prag, das Verhältnis zu Céline ist getrübt, denn ihr war die Musik stets wichtiger als ihre Tochter …
Die aus Bordeaux stammende Regisseurin und Drehbuchautorin Alice Douart hat an der berühmten Filmhochschule La Fémis studiert. Mit dem halbstündigen Kurzspielfilm „L’attente“, der vollständig in einer Entbindungsstation spielt, gewann sie 2022 den „César“. Für ihr Langfilmdebüt „Des preuves d’amour“, der als „15 Liebesbeweise“ jetzt in unsere Kinos kommt, greift sie das Thema wieder auf: den Kinderwunsch lesbischer Paare und die bürokratischen Hürden, die ihm im Wege stehen. Douart hat beides auch selbst direkt erfahren und dieser autobiografische Bezug erklärt wohl den ungewöhnlichen Realismus ihrer Inszenierung.
Vom ersten Moment ihres Auftretens an agieren Céline und Nadia so unaufgeregt „natürlich“, dass etwaige voyeuristische Erwartungen gar nicht erst aufkommen können, und in Kameramann Jacques Girault fand Douart einen so versierten wie sensiblen Bildgestalter, der den Protagonistinnen diskret und zugleich nah genug folgt und auch die heiklen erotischen Szenen nüchtern abbildet. Das eigentlich Dramatische der Handlung steigert sie zum Schluss sogar in ein unerwartetes, fast pompöses „Happyend zu dritt“, zu dem Girault noch einmal alle Register zieht und das ohne die realistische, mit feinem Humor durchzogene Erzählweise zuvor wohl unerträglich wäre.
Ein seltener Glücksfall ist die Besetzung. Mit Ella Rumpf als Céline und der in Kanada geborenen Monia Chokri als Nadia hat Douart zwei Darstellerinnen gefunden, die das Spannungsfeld sozialer Unterschiede fein ausloten und sich gewiss für größere Rollen empfehlen. Dabei räumt Douarts Drehbuch Céline deutlich mehr Leinwandpräsenz ein als ihrer Partnerin. Ella Rumpfs ausgeprägte Mimik und Gestik erlauben auch längere Plansequenzen; im Interview sagt die Regisseurin: „Manchmal schien es, als filmte ich ihre Seele.“ Insofern ist auch Douarts Film keine Ausnahme von der Regel, dass sozial unterprivilegierte Rollen – bei Darstellern wie Autoren – eher unbeliebt sind. Umso wertvoller sind die Szenen, die Nadias vielköpfige Familie in etlichen Facetten und gut auskomponierten Nebenrollen ins Spiel bringen.
Ein „dramaturgisches Meisterstück“ aber ist Douart mit der erst spät zur weiteren Hauptfigur wachsenden Marguérite Orgen gelungen. Die 1964 geborene Noémie Lvovsky bringt die ganze Erfahrung ihrer über 80 Filmrollen ein in die buchstäblich dynamische Verkörperung einer weltgewandten Künstlerin, die erst im Alter sich ihrer Mutterpflichten bewusst wird. Die zuvor eher unauffällige Musik, elektronisch oder Pop, rückt mit Beethovens „Appassionata“ ins Zentrum der Erzählung und hebt, von knappen Rückblenden verstärkt, den Film quasi „aus der Zeit“. Ein rares Meisterwerk, das man nicht verpassen sollte.
15 Liebesbeweise
Regie: Alice Douarts
Unter anderem mit: Ella Rumpf, Monia Chokri, Noémie Lvovsky
Im Kino



![UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis] UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]](https://www.unsere-zeit.de/wp-content/uploads/2021/04/Banner_800x90_Probeabo_Rahmen.jpg)





