Der Elefant im Raum trägt Flecktarn. Er zertrampelt die Lebensgrundlagen in Deutschland, aber niemand möchte über ihn sprechen. So auch am vergangenen Samstag in Stuttgart: 2.000 Menschen demonstrierten dort unter dem Motto „Kommunen am Limit“. Initiiert wurde die Aktion durch die Gewerkschaft ver.di. Am Vorbereitungsbündnis hatten sich DGB, IG Metall und GEW sowie Parteien von den Grünen über SPD und die Linkspartei bis zur DKP beteiligt. Darüber hinaus war es gelungen, Sozialverbände, freie Träger der Wohlfahrtspflege und Initiativen zu gewinnen.
Florian, Krankenpfleger am Klinikum Stuttgart, fragte, wie sich die Beschäftigten in der Pflege, aus der Gebäudereinigung oder der Logistik die Mieten in einer der teuersten Städte noch leisten sollen. Viele müssten ins Umland ziehen und hätten dadurch sehr lange Arbeitswege. Er berichtete aus seiner beruflichen Praxis: Auf der Kinder-Diabetes-Station werde Apfelsaft inzwischen rationiert, auf der Palliativstation gebe es für sterbende Menschen überhaupt keine Säfte mehr. „Was kommt als nächstes?“, empörte sich Florian.
Weitere Rednerinnen und Redner wiesen auf die desolate Situation in Verwaltungen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge hin. Den Kommunen in Baden-Württemberg, denen es vielerorts noch besser geht als vielen anderen Städten und Gemeinden in Deutschland, drohen massive Sparhaushalte. Allein in Stuttgart fallen Millionensummen an Gewerbesteuereinnahmen aus. Die Krise der Automobilindustrie betrifft damit die Beschäftigten doppelt: Während Leiharbeiter und prekär Beschäftigte ihren Job bereits verloren haben, droht über den kommunalen Kahlschlag der zweite Schlag. Für den Stuttgarter Sparhaushalt ist etwa geplant, die erst kürzlich von ver.di erkämpfte Großstadtzulage zu halbieren, was einer Lohnkürzung gleichkommt. Zugleich sollen unter anderem die Kita-Gebühren erhöht werden.
Statt der Kürzungen forderte das Bündnis Investitionen in die soziale Infrastruktur. Bund und Länder müssten dafür Geld zur Verfügung stellen. Zu holen wäre es bei den Superreichen, unter anderem durch eine Vermögenssteuer. Da sich beidem die CDU in den Weg stellt, versuchen sich die Vertreter von SPD und Grünen zurückzulehnen. Das wurde schon auf einer Podiumsdiskussion am 4. November deutlich, zu der die Initiative Mitglieder des Stuttgarter Gemeinderates eingeladen hatte. Durchkreuzt wurde die Strategie, den schwarzen Peter weiterzugeben, von den dort anwesenden Kommunisten: Auch die Ampel-Regierung habe von der Vermögenssteuer nichts wissen wollen. Außerdem fehle das Geld in den Kommunen, weil Milliarden in die Kriegsvorbereitung gegen Russland flössen.
Zahlreiche Demonstrantinnen und Demonstranten machten auf den Zusammenhang zwischen massiver Aufrüstung, Wirtschaftskrieg gegen Russland und den Streichorgien Aufmerksam: „Wir wollen Butter – keine Bomben“.
Auf der Bühne wie schon im Aufruf versuchte man, den Elefanten zu umschiffen. Das brachte einige Rednerinnen und Rednern auf den gefährlichen Kurs, den Sparkurs nicht insgesamt zu kritisieren, sondern nur den Kahlschlag im eigenen Bereich.
Das Stuttgarter Bündnis steht am Anfang. Womöglich kann die Aktion ein Impuls für die Verteidigung der Lebensbedingungen der Menschen sein. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, den Kern des Problems zu benennen, wie es die Geschäftsführerin von ver.di Stuttgart, Sidar Caman, auf der Auftaktkundgebung tat: „Statt Milliarden für Aufrüstung und Krieg braucht es dringend Geld für Gesundheit, für Soziales, für mehr Personal, für faire Bezahlung für Beschäftige im öffentlichen Dienst.“



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