Führende Wirtschaftsinstitute sehen Licht am Ende des Tunnels. Glaubt man den Konjunkturprognosen der Ökonomen, dann wird die deutsche Wirtschaft ihre seit drei Jahren anhaltende Krise im Jahr 2026 überwinden. So hat etwa das ifo-Institut seine Prognose für das kommende Jahr deutlich erhöht. Demnach könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,5 Prozent zulegen. Das wäre fast doppelt so viel wie die ursprünglich angenommenen 0,8 Prozent. Schon für dieses Jahr rechnet das Münchner Institut mit einem Anstieg von 0,3 statt 0,2 Prozent.
Auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat seine Prognose für das kommende Jahr um einen Zehntelprozentpunkt auf 1,6 Prozent BIP-Wachstum angehoben; für das laufende Jahr sehen die Kieler Ökonomen nun 0,3 Prozent statt 0,0 Prozent voraus. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) rechnet für 2026 mit einem Wachstum um 1,1 Prozent. Und das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen erwartet für das laufende Jahr ein BIP-Wachstum von 0,3 Prozent, für 2026 sogar 1,5 Prozent.
Was ist der Grund dafür, dass die Wirtschaftsinstitute nun einen Aufschwung vorhersagen? Die Ökonomen geben an, dass sich das angekündigte Wachstumspaket der Bundesregierung positiv auswirken werde. So schätzt das Ifo-Institut den wirtschaftlichen Effekt der Ausgabenerhöhungen, Steuersenkungen und Investitionen in diesem Jahr auf 10 Milliarden Euro und im kommenden Jahr auf 57 Milliarden Euro. Allerdings basiert diese Prognose zu einem großen Teil auf der Annahme, dass der Handelskonflikt zwischen der EU und den USA beigelegt wird.
Trotz der zu erwartenden wirtschaftlichen Erholung schreitet die Vernichtung industrieller Arbeitsplätze ungebrochen voran. Allein im vergangenen Jahr gingen in Deutschland nach einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) mehr als 100.000 Industriearbeitsplätze verloren. Besonders hart betroffen war die Autobranche. Dort gingen binnen eines Jahres knapp 6 Prozent der Stellen verloren. Damit fiel die Beschäftigung bis Ende März um 45.400 auf 734.000 Jobs. In der Metallerzeugung und in der Textilbranche sank die Beschäftigung mit jeweils über 4 Prozent ebenfalls deutlich. Die Autoren der Studie rechnen bis zum Ende des Jahres nun mit einem Wegfall von mindestens 70.000 weiteren Industriearbeitsplätzen. Insbesondere im Maschinen- und Autobau hätten Firmen Sparprogramme initiiert. Diese Tendenz bestätigt auch die jüngst veröffentlichte Konjunkturumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach steht bei 44 Prozent der befragten Industrieunternehmen Stellenabbau auf der Agenda.
Das zeigt, dass die Deindustrialisierung allein mit Wirtschaftswachstum nicht aufzuhalten ist. Aufgrund der durch Digitalisierung, Dekarbonisierung und die zunehmende Internationalisierung von Produktions- und Wertschöpfungsketten gekennzeichneten massiven Veränderung in der Produktionsweise wird schlicht weniger menschliche Arbeitskraft in den Werkshallen benötigt. Hinzu kommt, dass sich die dort ausgeübten Tätigkeiten verändern und damit auch ganze Berufsbilder. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass inzwischen jeder vierte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz in Deutschland durch einen Computer oder eine computergesteuerte Maschine ersetzt werden könnte. In absoluten Zahlen sind 7,9 Millionen Kolleginnen und Kollegen von dieser Entwicklung betroffen.
Wir brauchen also Weiterbildungsprogramme für die Betroffenen sowie intelligente Modelle zur Arbeitszeitverkürzung. Und nicht zuletzt ist die Politik gefragt: Anstatt gigantische Aufrüstungsprogramme aufzulegen, sollte sie mit wirklichen Zukunftsinvestitionen die Transformation im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Ansonsten erweist sich das von den Wirtschaftsinstituten prognostizierte „Licht am Ende des Tunnels“ als Scheinwerfer des entgegenkommenden Zuges.