Arbeitsstunden für Bundeswehr-Meme: ehemaliger Schüler trifft auf die Justiz der Zeitenwende

Bentik verurteilt

Die Entsendung von Offizieren an Schulen gehört im Deutschland der Zeitenwende wieder zur Normalität. Man sollte meinen, dass diese sogenannten „Jugendoffiziere“ den Umgang mit – auch scharfer oder polemischer – Kritik lernen. Aber offenbar kann man durchaus Kinder für den Krieg anwerben und gleichzeitig zart besaitet sein. Das ergibt sich aus dem Fall eines solchen Menschenfängers, der im Februar am Freiburger Angell-Gymnasium mehrfach auf der Suche nach Kanonenfutter war. Er zeigte den damals 18-jährigen Oberstufenschüler Bentik S. an, nachdem dieser aus Fotos mit dem Jugendoffizier mehrere Memes erstellt und verbreitet hatte.

Auf den Bildmontagen hält der vor der Klasse stehende Soldat ein Sturmgewehr in den Armen. Im ersten Meme fragt er die Schüler: „Also Kinder, wer von euch würde gern an der Ostfront sterben?“ Im zweiten sieht man ihn neben einem Bildschirm, der einen eingehenden Telefonanruf von „SS-Siggi“ anzeigt, woraufhin er der Klasse mitteilt: „Oh, da muss ich kurz rangehen“. „SS-Siggi“ war der Szenename des 2021 verstorbenen Dortmunder Neonazi-Kaders Siegfried Borchardt.

Angesichts der weithin bekannten Kontinuitäten zwischen Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr, regelmäßigen Nazi-Skandalen bei der „Truppe“ und der Tatsache, dass die massive, gegen Russland gerichtete Aufrüstung der BRD, die Wiedereinführung der Wehrpflicht und erst recht die Anwerbung von Minderjährigen durch die Armee objektiv kontroverse Themen sind, sollte man davon ausgehen, dass eine solche Satire von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist – weil sie auf Tatsachen basiert, politisch ist und sich nicht gegen ein Individuum richtet. Aber offenbar will man derlei scharfe Polemiken heutzutage nur noch regierungstreuen Formaten wie der „heute-show“ im ZDF durchgehen lassen.

Wenn aber Jugendliche ihre Kritik scharf, kreativ und witzig äußern – der Autor dieses Beitrages musste als Antifaschist aus dem Ruhrgebiet über das „SS-Siggi“-Meme jedenfalls lachen –, dann kommt das offenbar gefährlicher Wehrkraftzersetzung gleich und muss bestraft werden. Zumindest kann das Urteil, das das Amtsgericht Freiburg am Donnerstag vergangener Woche gefällt hat, so interpretiert werden. Bentik wurde zu 15 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Die Vorsitzende Richterin argumentierte: Die Bildmontagen hätten den Offizier persönlich beleidigt und ihn in die Nähe der SS gerückt.

Bentik bestritt in seiner Verteidigung, dass es ihm um eine persönliche Nähe des Soldaten zur SS gegangen sei. Seine Memes hätten sich gegen die Bundeswehr als Institution gerichtet. Tatsächlich legt die Behauptung der Richterin nahe, dass sie nicht wusste, wer „SS-Siggi“ war. Damit ist sie allerdings nicht alleine: SWR und „Welt“ stellten diesen Zusammenhang in ihrer Berichterstattung auch nicht her. Stattdessen hielten sie es für angemessen, ihrer Leserschaft zu erklären, was überhaupt die SS war – ein Armutszeugnis für den „Aufarbeitungsweltmeister“ BRD.

In seinem Schlusswort erklärte Bentik: „Es sollte uns allen sehr zu denken geben, dass antimilitaristische SchülerInnen, die zum Beispiel gegen die Besuche von Jugendoffizieren politischen Protest organisieren, mit repressiven Maßnahmen wie Gerichtsverfahren konfrontiert werden.“ Es seien „genau solche Maßnahmen“, durch die engagierte Jugendliche „eingeschüchtert und Protest kriminalisiert“ würden. Er selbst lasse sich aber nicht abschrecken. Seine Verteidigung kündigte an, Rechtsmittel einzulegen.

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"Bentik verurteilt", UZ vom 26. Dezember 2025



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