Paketobergrenze: Branchendialog, Konkurrenz und Arbeiterinteressen

Besser durch Kampf

ver.di-Mitglieder, die bei der Post arbeiten, erhalten als Beilage zur ver.di-Zeitung „publik“ das Fachbereichsmagazin „bewegen“. So auch Anfang Dezember. Beim Titelthema „ver.di fordert echte 20-Kilogramm-Grenze. Entlastung von der Einlieferung bis zur Zustellung“ ging es dann eigentlich um den Branchendialog des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie über eine „mögliche Reform des erst 2024 beschlossenen Postgesetzes“. Der Rest des Artikels befasst sich jedoch nicht mit den Vorhaben von Kapitalverbänden, dem Staat oder ersten Ideen der Gewerkschaftsführung zur Organisierung von Widerstand, sondern damit, dass ver.di ein gesetzliches Verbot von Subunternehmen sowie eine Obergrenze von 20 Kilogramm für Pakete fordert.

Das Bundesministerium hat bisher nur die Terminankündigung zum Branchendialog veröffentlicht, der bereits am 4. Dezember stattgefunden hat. Die „Fachgewerkschaft“ DPVKOM, die zum Beamtenbund gehört, stellte ein Foto online und erklärte, dass sie im Gespräch mit dem Referatsleiter Postpolitik im Ministerium dieselben Forderungen wie ver.di vertreten habe. Wer eine Idee davon bekommen will, was die Kapitalseite plant, muss auf der Website des Kapitalverbandes nachschauen. Beim „Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation e. V. (DVPT) ist zu lesen, dass „Entbürokratisierung“, Subdienstleister und Arbeitsschutz bei Paketen über 20 Kilogramm die Themen des Austausches gewesen seien. Das bedeutet schlicht, dass es nun um die Aushandlung dessen geht, was beim neuen Postgesetz offengelassen wurde.

Einerseits gibt es einen Widerspruch zwischen den Erfordernissen der Umstellung auf eine Kriegswirtschaft und dem neuen Postgesetz: Die Handlungsfähigkeit des bürgerlichen Staates hängt auch davon ab, rechtssicheren Kontakt zu seinen Bürgern aufnehmen zu können. Andererseits soll eine weitreichende Flexibilisierung ermöglicht werden: Für den „nationalen Champion“ DHL geht es um viel Gewinn und Kapitalexport, also einen „Platz an der Sonne“ für den deutschen Imperialismus.

Eine zusätzliche Rolle spielte die Konkurrenz zwischen US-amerikanischem, französischem und deutschem Kapital auf dem deutschen Paketmarkt. Prinzipiell musste der Zugang zum Markt offengehalten werden; das entspricht den Inte­ressen des stärkeren deutschen Monopols. Andererseits wird diese Konkurrenz dadurch ausgetragen, dass der Zugang zum Markt unter den vergünstigten Bedingungen nur dann zulässig ist, wenn das Kapital genug Arbeitskraft und Produktionsmittel vor Ort hat. Das trifft de facto nur auf DHL zu.

Die Konkurrenz wird unter anderem über die Kontrolle des abhängigen Kleinkapitals ausgetragen: Partnerfilialen der Post, Fremdvergabe von Paketbezirken bei DHL, Subunternehmer bei Hermes, UPS und Scheinselbstständige, per App gesteuert bei Amazon. Das soll unter Kontrolle gebracht und zum Teil auch erschwert werden, denn der deutsche „nationale Champion“ ist durch seine nervigen, weil hoch organisierten Postler per Tarifvertrag zum Ausschluss der Fremdvergabe von Postbezirken gezwungen. Der Auftrag lautet also, es auch den Konkurrenten etwas schwerer zu machen. Dieser Widerspruch wird unter dem Schlagwort „Entbürokratisierung“ ausgetragen. Die DVPT, in der vor allem kleinere Paketdienste zusammengeschlossen sind, fordert eine Stärkung der Bundesnetzagentur zur Kontrolle der Post. Die Post wiederum fordert eine stärkere Kontrolle der Subdienstleister, von denen sie nur wenige beschäftigen darf, während die Konkurrenz so gut wie alles über sie abwickelt.

Das Kapital hat ein gemeinsames Inte­resse an einer Regelung der Obergrenze für das Gewicht von Paketen. Bevor die Arbeiter diese zu ihrem Thema machen – und zwar ausdrücklich auch gegen den erklärten sozialpartnerschaftlichen Willen –, wird es lediglich möglich sein, die Obergrenze gesetzlich zu regeln und nicht über betriebliche Kämpfe (UZ vom 20. Dezember 2024). Diese würden den Platzhirsch DHL unter Druck setzen und den Arbeitern die größte Chance bieten, ihre Forderungen durchzusetzen.

Der Artikel im ver.di-Fachbereichsmagazin „bewegen” hätte spannend sein können, denn anhand dieser Vorgänge hätte verdeutlicht werden können, wie Monopole mit dem Staat verschmelzen. Das Thema bietet die Gelegenheit, aufzuzeigen, wie Kämpfe geführt werden und welche Rolle das Kräfteverhältnis in jedem Betrieb spielt. Das ist wichtig, um Themen vor allem betrieblich zu setzen und durch Arbeitskampf Verbesserungen erstreiten zu können. So können Arbeiterinnen und Arbeiter den Staat und die Monopole zum Handeln zwingen. Voraussetzung dafür ist ein Bruch mit der Sozialpartnerschaft.

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"Besser durch Kampf", UZ vom 19. Dezember 2025



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