Betr.: „Gäääähn“ und „Weiter so mit Mutti“, UZ v. 22. und 29.9., S.1

Bitte mehr Sorgfalt

Von Norbert Birkwald, Mörfelden-Walldorf

Diesmal muss ich am Aufmacher der beiden Ausgaben Nr. 38 und Nr. 39 rummeckern.

Nein, es ist nicht nur eine Geschmacksfrage, aber auch. In beiden Ausgaben schafft es die Redaktion, auf Seite 1 für den Text weniger Fläche zur Verfügung zu stellen als für das Foto. Beide Fotos haben keinen Bezug zum Text. Das ist journalistisch absolut daneben. Mein erster Eindruck war, nun will die UZ-Redaktion gegen „Bild“ anstinken. Leute, das wird nix! Die UZ ist die Visitenkarte der DKP. Da erwarte ich, dass ich informiert werde, bissige Kommentare lese, agitiert werde, materialistische Analysen zu wichtigen Fragen der Zeit erhalte. Ich kann gut auf großformatige, inhaltsleere Fotos verzichten. Stattdessen darf die Redaktion gerne mehr Inhalte liefern.

Nun will ich nicht ganz gemein sein, aber die Unterzeile von Hans-Peter Brenners Kolumne „… ein müder Kommunist…“ auf Seite 9 kann den Leser schon an das Foto auf Seite 1 erinnern.

Jetzt zum Inhalt. Nr. 38: Lucas Zeise referiert die Feststellung von „Wahlexperten“ (?), es handele sich um den langweiligsten Bundestagswahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik mit einem Langweilfaktor von 9,3 (!). Leute, hoffentlich hat diese Expertise nix gekostet. Lucas Zeise bemüht sich dann, Kriterien für Langweile anzuführen. Er nennt hohe Übereinstimmung der größten Parteien in ihren Wahlaussagen. Neu ist das nicht. In diesem Jahr kam hinzu, dass mindestens die FDP aber auch die „Grünen“ kaum von den „Großen“ zu unterscheiden waren. Dann muss Zeise sich doch etwas korrigieren: „‚Langweilig‘ heißt nicht ‚bedeutungslos‘“. Die Bedeutung bezieht sich aber doch nicht auf Kategorien des mehr oder weniger guten Geschmacks, also „langweilig“, „spannend“ oder „schön“. Die Bedeutung dieser Wahl lag doch wohl darin, dass erstmals eine rassistische, reaktionäre und nationalistische Partei beste Chancen hatte, in den nächsten Bundestag einzuziehen. Bekanntlich hat die AfD diese Chance genutzt. Die Gefahr eines bevorstehenden deutlichen Rechtsrucks hätte drei Tage vor der Wahl in aller Deutlichkeit der UZ-Leserin und dem UZ-Leser dargestellt werden müssen. Das wäre eine Schlagzeile wert gewesen und Zeise hätte wenig an seinem Text ändern müssen und hätte unter Verzicht auf das Foto noch viel mehr Platz für einen klugen Text gehabt.

Nr. 39: Auch hier stimmen Text und Bild nicht überein. Merkel ist bekanntlich nicht „Mutti“. Das schreibt Lars Mörking ab dem dritten Absatz ja ausführlich. Ich frage mich, warum wird die Gefahr der wahrscheinlich auf uns zukommenden Politik der nächsten Jahre mit solchen Begriffen wie „Mutti“ und „gemütlich“ verharmlost? Auch hier gilt: hättet ihr auf das aussagelose Foto verzichtet, hätte Mörking bessere Möglichkeiten gehabt, seine Überlegungen den Leserinnen und Lesern nahe zu bringen. Er hätte etwa ausführen können, welche Erwartungen Kommunisten an die Partei „Die Linke“ haben, nämlich den Themen Frieden, Soziales, Arbeit, Solidarität eine Stimme im Bundestag zu geben. Schade, da war ja ein Nudelholz im Weg.

„Bild“ werde ich weiterhin nur im Vorbeigehen am Kiosk lesen. Von euch darf ich erwarten, dass ihr bei den Aufmachern der UZ zukünftig mehr Sorgfalt walten lasst.

Dazu wünsche ich viel Erfolg.

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"Bitte mehr Sorgfalt", UZ vom 6. Oktober 2017



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