Mit einer 36 Stunden dauernden Mahnwache haben Vertrauensleute und Beschäftigte von Bosch in Feuerbach vergangene Woche ihren Unmut und ihre Enttäuschung über die Vernichtung von 22.000 Stellen zum Ausdruck gebracht. Die Geschäftsleitung stellt mittlerweile den vereinbarten Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2027 in Frage.
Mit Pressekonferenzen, Kundgebungen und der solidarischen Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Metallbetrieben (Mahle, Porsche, Mercedes, Siemens und anderen) sowie Aktionen sollte Druck auf die zeitgleich laufenden Verhandlungen zwischen Gesamtbetriebsrat und Geschäftsführung ausgeübt werden.
„Hupen für unsere Zukunft“ – dieser Aufforderung kamen viele Fahrerinnen und Fahrer an der viel befahrenen Straße nach, an der die Mahnwache stattfand. Der ständige Lärm drückte Solidarität aus und bestärkte die Kolleginnen und Kollegen sichtbar.
Die Mahnwache wurde mit einer symbolischen Aktion beendet: Ein Sarg, ein Grabstein und Kreuze standen dafür, dass bei Bosch derzeit Standorte, Arbeitsplätze und Werte beerdigt werden.
Zwischen 20 und 200 Aktive waren bei der Mahnwache immer vor Ort. Die meisten der in der bitteren Kälte ausharrenden Kolleginnen und Kollegen zeigten sich zufrieden mit der Beteiligung. Einige waren aber auch enttäuscht, dass nicht mehr Kolleginnen und Kollegen kamen und die Aktion unterstützten.
Viele würden sich wegducken, wollten nicht auffallen, keinen Ärger. Sie hoffen, vom Druck der Führungskräfte verschont zu bleiben. Sie hoffen, dass ihr Verhalten dazu beiträgt, dass ihr Arbeitsplatz weniger gefährdet ist.
Im Gespräch erzählen Vertrauensleute, dass der Wind bei Bosch schärfer geworden ist. Abmahnungen nehmen zu, selbst wegen Kleinigkeiten, die bisher nie ein Problem waren. Dazu gehört zum Beispiel, in der Mittagspause mal kurz im nahen Supermarkt einkaufen zu gehen. Auch auf behinderte Kolleginnen und Kollegen wird der Druck verstärkt. Bosch will sie dazu bringen, eine Abfindung anzunehmen und zu gehen.

Der katholische Stadtdekan Christian Hermes berichtete, dass immer mehr Boschler seelsorgerische Hilfe in Anspruch nehmen. Beschäftigte berichten von einem würdelosen Umgang der Bosch-Leitung mit ihnen. „Da kann von der oft zitierten Bosch-Familie nicht mehr die Rede sein,“ so sein Kommentar. Der Druck geht auf die Psyche. Sogar zu Selbstmorden soll es gekommen sein.
Zusammen sangen die Beschäftigten immer wieder ein Lied, das sie selbst gedichtet haben. In der letzten Strophe heißt es: „Also fordern wir von der GS: Seid mit uns ned ganz so bees! Gebt euch ’nen Ruck und packt mit an, wir schaffen das alle zusammen – YES!“ Der Refrain lautet: „Schluss mit dem Stellenabbau, uns rauszuschmeißen ist nicht sehr schlau! Wenn wir in die Zukunft schau’n, woll’n wir alle auf Bosch vertrau’n.“
Der Liedtext ist ein Sinnbild für ihre Illusionen in die Geschäftsführung – wie auch der Spruch auf dem Grabstein, den sie an der Mahnwache aufgestellt haben: „Hier liegen die Bosch-Werte und die Wertschätzung.“ Die heile Bosch-Welt hat es nie gegeben, sie wird angesichts der aktuellen Situation jedoch immer wieder zitiert und beschworen. Auch wenn Bosch eine Stiftung ist und der Gründer Robert Bosch sich ein soziales Mäntelchen umhängte: Der Zweck des Unternehmens war immer der Profit – damals, heute und auch morgen.
Die Bosch-Beschäftigten werden sich von ihren Illusionen verabschieden müssen. Nur mit Druck und mit ihrer gemeinsamen Stärke können sie den Arbeitsplatzabbau abwenden. Mahnwachen sind gut, um in die Diskussion zu kommen und um die Öffentlichkeit aufzurütteln. Sie werden aber nicht ausreichen, um Lösungen in ihrem Interesse durchzusetzen.



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