Kroketten, Klöße und Co.

Die Kartoffel macht’s

Kolumne Warum man das Schlemmen nicht der Bourgoisie überlassen darf

Die Bezeichnungen sind so vielfältig wie ihre Sorten. Die einen sprechen vom Erdapfel, der Knolle, der Grundbirne, die anderen von der Krumber oder von der Solanum tuberosum, und sie meinen alle die gemeine Kartoffel. Heute ist sie weltweit eine der wichtigsten Nahrungsquellen. Über 5.000 Sorten kennt man. Die Kartoffel ist für viele Länder ein besonders wichtiges Symbol, ist sie nicht in ausreichender Menge vorhanden, konnte es schon dazu kommen, dass dieser oder jener Machthaber in arge Bedrängnis kam, denn die Kartoffel ist für viele Menschen mehr als nur ein Grundnahrungsmittel, sie wird gern als das zweites Brot angesehen.

Über ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung und deren sättigende Zufriedenheit war man sich auch in der DDR im Klaren. So gingen wir als Schüler in den Herbstferien, die auch als die Kartoffelferien bezeichnet wurden, als freiwillige Erntehelfer zur Unterstützung der LPG aufs Land, um sie bei der Kartoffelernte zu unterstützen und dem Sozialismus zum Siege zu verhelfen. Eine Tradition, die auch an den Universitäten angesagt war. Doch hier und da musste die Armada der Pioniere und Studenten schon vorher zum Kartoffelkäfersammeln ausrücken, um der Gefahr möglicher Ernteverluste zuvorzukommen. Die Genossenschaften hatten sich immer gut auf uns als Erntehelfer vorbereitet: Kost und Logis waren frei und wir freuten uns auf den herzhaften und deftigen Bauernschmaus, den es immer reichlich gab. Gereicht wurden Kartoffelsuppe, Bauernfrühstück und in der Asche des abendlichen Lagerfeuers knusprig gebackene Kartoffeln. Die Mühen wurden natürlich auch entlohnt und besserten das Taschengeldbudget erheblich auf. Danach hatte ich später immer eine gewisse Hochachtung den Knollen gegenüber, die vor mir auf den Tellern lagen, hatte ich sie doch mit Mühe hinter den Kartoffelerntemaschinen nachlesen müssen.

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Kartoffeln bilden die hauptsächlichste sättigende Beilage zu vielen Gerichten. Daraus erklären sich auch die mannigfachen Zubereitungsarten, die im Laufe der Zeit entwickelt wurden. Kartoffeln sind im Hinblick auf ihren Nährwert ein preiswertes Nahrungsmittel und in den Wintermonaten ein nicht zu unterschätzender Vitamin-C-Spender. Die Kartoffel – ursprünglich aus Südamerika kommend –, landete erst im 16. Jahrhundert durch spanische Seefahrer in Europa, zunächst als hübsche Pflanze im Garten, anfänglich auch als giftig verdächtigt, mutierte sie dann zum echten Lebensretter bei Hungersnöten. Die Verbreitung der Kartoffel in Deutschland begann vom Vogtland aus, das gern auch als Kartoffelland bezeichnet wird. Vor über 350 Jahren begann dort der feldmäßige Anbau der Kartoffel als Nahrungsmittel. Nachweislich sind es vogtländische Bauern gewesen, die als die ersten in Deutschland die Kartoffeln auf ihren Feldern anpflanzten. Um 1626 wurden bereits im Greizer Schlossgarten einige Beete mit „Erdäpfeln“ bepflanzt, so dass man davon ausgehen kann, so die Agrarhistoriker, das die Knolle vom Vogtland aus ihren Weg zu den deutschen Bauern angetreten hat. Griegeniffte, Bambes, Zuedelsupp‘ und Erdäpfelkung (Grüne Klöße, Kartoffelpuffer, Kartoffelsuppe und Kartoffelkuchen) bereichern seitdem nicht nur die Speisekarten der Gastronomie. In Thüringen formt man Klöße (auch Kleese, Knölla, Hütes oder Hebes genannt) aus zwei Drittel rohen und einem Drittel gekochten Kartoffeln. Sogar ein ganzes Museum haben die Thüringer ihrem Nationalgericht gewidmet. Wer mehr über den Erdapfel im Vogtland erfahren will, sollte dem „ Vogtländischen Knollensteig“, einem Kartoffel-Lehrpfad wischen Hundsgrün und Tirschendorf, folgen.

Alle Deutschen lieben Kartoffelpuffer, Klöße, Bratkartoffeln, Kartoffelbrei und den Kartoffelsalat. Nach meinem Geschmack unerreicht: der DDR-Kartoffelsalat. Er ist ein vollwertiger und sehr beliebter Sattmacher, passend zu Brat- beziehungsweise Currywurst, wie zu Rostbrätl und Bratfisch. Seit einiger Zeit erlebt die Kartoffel gerade in der Küche ein wahres Comeback, als Allzweckgemüse mit vielen Qualitäten erobert sie auch königliche Tafeln, so geschehen im Hotel König Albert in Bad Elster. Man hat sogar eine eigene Kartoffel – die König-Albert-Kartoffel. Sie ist in der Mitte rot marmoriert und stamme von einer Kartoffel ab, die schon vor 150 Jahren im Vogtland angebaut wurde, aber bisher noch keinen Namen hatte. Die DDR forschte in Groß Lüsewitz in einem Kartoffelforschungsinstitut an der Zukunft der Knolle und in Böhlendorf am Institut für Kartoffelzüchtung an neuen Sorten, von denen einige heute einen festen Platz im Angebot haben. Nicht zu vergessen sei hier auch der Hochprozentige, der seinen Ursprung in der Kartoffel hat. „Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen … Paprika soll euch im Halse brennen, der reife Kartoffelschnaps auch“, so sang schon Väterchen Franz, der sich dessen die Geselligkeit anregender Wirkung bewusst war. Der Kartoffelwodka, auch bekannt als Kartoffelschnaps, wird aus fermentierten und destillierten Kartoffeln hergestellt. In einigen Regionen der Welt, wie Polen und Russland, hat die Spirituose eine lange Tradition und gilt als Nationalgetränk, und selbst für den belorussischen Wodka braucht es Kartoffeln. Über 180 Kilogramm Kartoffeln pro Kopf im Jahr werden von den trinkfesten Belorussen verspeist, und sie führen damit die Spitze des europäischen Rankings an. Zeit für Bratkartoffeln und einen Schnaps!

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"Die Kartoffel macht’s", UZ vom 29. August 2025



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