Marode Schulen, Lehrermangel, Schulschließungen während Corona – dafür bald ab an die Front? Die Bundesregierung will Deutschland „kriegstüchtig“ machen – und das auf Kosten der perspektivlosen Jugend. Die soll freiwillig Wehrdienst leisten, um nicht per Los dazu verdonnert zu werden. Dagegen regt sich Widerstand: Mit einem Schulstreik-Aktionstag am 5. Dezember wollen Schülerinnen und Schüler in ganz Deutschland ein Zeichen setzen. Darüber sprach UZ mit Phil vom Schulstreikkomitee Münster.
UZ: Ihr organisiert am 5. Dezember einen Schulstreik gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Was stört euch daran?
Phil: Das fängt schon damit an, dass die Jugend gar nicht einbezogen wird in die Entscheidung. Darüber wird an uns vorbei und über unsere Köpfe hinweg entschieden. Eine Wehrpflicht ist für uns keine Zukunftsperspektive. Wir sehen, wie versucht wird, die Perspektivlosigkeit und die Hoffnungslosigkeit der Jugend auszunutzen. So kommt die neue Wehrpflicht beispielsweise mit 3.500 Euro Führerschein-Zuschuss und einem Nettogehalt von rund 2.000 Euro, während unsere Schulen kaputtgespart werden und normale Azubi-Gehälter nicht mehr zum Leben ausreichen. Die Bundesregierung will Deutschland nach innen und außen „kriegstüchtig“ machen und zum großen Krieg gegen Russland und China rüsten. Das ist nicht in unserem Interesse. Da können wir nicht mitgehen.
UZ: Wird darüber in Schulen diskutiert?
Phil: Teils ja, teils ist es kein großes Thema. Wenn man die Diskussion eröffnet, kann man auf jeden Fall darüber in Gespräche kommen. Da gibt es dann gemischte Meinungen – viele, die sich gegen die Wehrpflicht stellen, auch aus dem Grund, keine sechs Monate ihres Lebens dafür opfern zu wollen, in der Bundeswehr zu sein. Aber vereinzelt auch Stimmen, die die Wiedereinführung der Wehrpflicht befürworten, weil sie die Bedrohungslüge schlucken, die von der herrschenden Politik propagiert wird und glauben, dass Russland uns bedrohen würde und wir daher „kriegstüchtig“ sein müssten. Aber es ist kein großes Thema, zumindest bei mir an der Schule nicht, weil es von den Lehrkräften nicht aufgemacht wird.
UZ: Warum habt ihr euch den 5. Dezember ausgesucht?
Phil: Am 5. Dezember führt der Bundestag die Wehrpflicht voraussichtlich wieder ein. Deshalb wollen wir genau an diesem Tag auf die Straße gehen und Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass wir dagegen sind. Für uns ist der 5. Dezember aber nicht das Ende. Wir wollen weitermachen und dauerhaft aktiv werden. Mit dem 5. Dezember wollen wir in erster Linie ein starkes Zeichen setzen.
UZ: Wer steckt hinter dem bundesweiten Aufruf zum 5. Dezember?
Phil: Dahinter stecken viele Schülerinnen und Schüler aus unterschiedlichen Städten, die teilweise gemeinsam mit ihren Schülervertretungen, Bezirksschülervertretungen und Landesschülervertretungen den Streik vorbereiten. Wir haben schon in zahlreichen Städten Streikkomitees. In Münster, wo ich wohne, versuchen wir gerade, ein solches Komitee aufzubauen. Da wirken engagierte Schülerinnen und Schüler mit, die sich gegen die Wehrpflicht organisieren wollen.
UZ: Das Mittel des Schulstreiks hat zuletzt Fridays for Future publik gemacht. Warum habt ihr euch für diese Aktionsform entschieden?
Phil: Der Streik ist aus unserer Sicht die schlagkräftigste Aktionsform, weil die Demonstration anstelle des Schulbesuchs deutlich stärkeren Druck ausübt als eine Demonstration nach der Schule. Wenn wir überall leere Klassenräume haben, ist das ein klares Zeichen an die Politik, aber auch an andere Menschen um uns herum: Die Jugend will die Wehrpflicht nicht. Durch den Schulstreik wollen wir zudem Lehrkräfte und Eltern mit einbeziehen.
UZ: Was muss ich denn machen, wenn ich am 5. Dezember streiken will, aber an meiner Schule noch nichts geplant ist?
Phil: Schreib unseren bundesweiten Instagram-Account @schulstreikgegenwehrpflicht an. Der vermittelt Kontakte zu Streikkomitees in der Umgebung oder erklärt, wie man eines ins Leben ruft. Es gibt viele Möglichkeiten mitzumachen, statt nur am Rand zu stehen.
UZ: Wie mobilisiert ihr zum 5. Dezember?
Phil: Zum einen über unser Instagram-Profil mit Reels und Infoposts, aber auch durch Plakate und Schulverteilungen. Wir verteilen etwa unseren Aufruf zum Schulstreik und versuchen, Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen und mit Schülerinnen und Schülern in Diskussionen zu kommen. Das klappt in vielen Städten sehr gut.
UZ: Wie können euch ältere Semester unterstützen, die schon länger nicht mehr zur Schule gehen, aber euer Anliegen teilen?
Phil: In erster Linie dadurch, dass man mit auf die Straße geht! Aber auch, indem man Aufmerksamkeit im eigenen Umfeld schafft und darüber ins Gespräch kommt. Von der Wiedereinführung der Wehrpflicht sind wir alle betroffen. Der Kampf gegen die Wehrpflicht ist ein gemeinsamer. Die ganze Gesellschaft muss sich gegen die Wehrpflicht wehren.



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