Vermittlungsversuche bringen NATO-Staaten in Bedrängnis

Ein klein wenig Hoffnung

Kolumne

Erhält die Diplomatie im Ukraine-Krieg eine Chance? Eine Reihe von Ereignissen schien in der vergangenen Woche doch ein klein wenig Hoffnung zu nähren. So gab es etwa Berichte, denen zufolge Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit seinen Bemühungen um eine Verhandlungslösung erste Fortschritte erzielt habe. Am 23. Februar teilte der russische Vize-Außenminister Michail Galusin mit, Moskau beobachte Lulas Initiative genau – und schätze seine eigenständige Politik. Am selben Tag gab in Brasília Außenminister Mauro Vieira bekannt, in Kürze werde Lula mit seinen Amtskollegen in Moskau und in Kiew, Wladimir Putin und Wladimir Selenski, telefonieren. Am 24. Februar kündigte Selenski an, er wolle Lula nach Kiew einladen, um über einen Friedensplan zu reden. Brasilianische Medien wiederum berichteten, Lula werde Ende März nach Peking reisen und dort mit Präsident Xi Jinping die weiteren Vermittlungsbemühungen besprechen. Lula halte an seinem Plan fest, einen „Friedensklub“ verhandelnder Staaten zu gründen; einbinden wolle er neben China etwa Indonesien und Indien.

Auch Indiens Regierung meldete sich in der vergangenen Woche zu Wort. Nach einem Besuch von Außenminister Subrahmanyam Jaishankar im November hatte im Februar der Nationale Sicherheitsberater Ajit Doval Moskau bereist und dabei auch mit Putin persönlich gesprochen. Spekulationen machten die Runde, es sei nicht ausschließlich um den Ausbau der bilateralen Beziehungen, sondern auch um denkbare Wege zu einer Verhandlungslösung gegangen. Solche Wege hatten jedenfalls zuvor indische Außenpolitikexperten untersucht, unter anderem die einflussreiche Denkfabrik Observer Research Foundation (ORF). Am vergangenen Samstag bekräftigte Premierminister Narendra Modi auf seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz: „Indien steht bereit, an jedem Friedensprozess teilzunehmen und einen Beitrag dazu zu leisten.“ Einen Tag zuvor hatte China sein Zwölf-Punkte-Papier „zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“ publiziert und darin einen Rahmen aufgespannt, der nicht nur in Moskau, sondern auch in Kiew in ersten Reaktionen durchaus auf Wohlwollen stieß.

Dass Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Krieg vor allem aus dem Globalen Süden kommen, hat gute Gründe. Der Krieg und mehr noch der Wirtschaftskrieg, den der Westen gegen Russland entfesselt hat, gefährden weltweit die Versorgung mit ukrainischem Getreide und mit russischen Düngemitteln, treiben die Energiepreise in die Höhe – und das trifft vor allem diejenigen, die ohnehin knapp bei Kasse sind. Unmut darüber gibt es schon lange. Exemplarisch hat ihm Namibias Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila auf der Münchner Sicherheitskonferenz Ausdruck verliehen; dort verlangte sie, den Krieg endlich zu stoppen. Nun nehmen sich die Starken unter den Staaten des Südens der Sache an, suchen die Interessen des Südens in konkrete Politik umzusetzen und stärken damit, nebenbei, ihre globale Position. Peking stellt diese Verbindung explizit her; in seinem Zwölf-Punkte-Papier heißt es, der Westen solle endlich seine Sanktionen aufheben, „um für Entwicklungsländer Bedingungen zu schaffen, ihre Wirtschaft wachsen zu lassen und das Leben ihrer Bevölkerung zu verbessern“.

Der Westen steckt in der Klemme. Er will den Krieg weiterhin nutzen, um Russland zu schwächen; deshalb rüstet er die Ukraine massiv auf. Zugleich hat er bereits heftig Einfluss im Globalen Süden verloren; das zeigt allein schon die Tatsache, dass er mit seinen Russlandsanktionen faktisch isoliert ist: Drei Viertel aller Staaten weltweit unterstützen sie bis heute nicht. Sabotiert er, wie schon Ende März 2022, erneut Friedensverhandlungen, dann bringt er den Süden noch stärker gegen sich auf, schwächt seine Positionen dort noch mehr. Die Vermittlungsbestrebungen des Südens im Ukraine-Krieg nähren zunächst natürlich Hoffnung auf Frieden. Sie sind aber auch ein erneuter Beleg dafür, wie die globale Dominanz des Westens schwindet.

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Über den Autor

Jörg Kronauer (Jahrgang 1968) ist Sozialwissenschaftler und lebt in London. Er ist Redakteur des Nachrichtenportals „german-foreign-policy.com“, freier Journalist und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Neofaschismus und deutsche Außenpolitik.

Kronauer veröffentlichte 2018 bei PapyRossa „Meinst Du, die Russen wollen Krieg? Russland, der Westen und der zweite Kalte Krieg“. Sein aktuelles Buch „Der Rivale“ analysiert die Rolle der VR China im internationalen Klassenkampf.

Für die UZ schreibt Kronauer eine monatlich erscheinende Kolumne mit dem Schwerpunkt deutsche Außen- bzw. Konfrontationspolitik gegen Russland und China.

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"Ein klein wenig Hoffnung", UZ vom 3. März 2023



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