Bundesregierung stellt größenwahnsinnige „Weltraumsicherheitsstrategie“ vor

Fehlt nur noch der Todesstern

Ab und an findet auch das blinde Huhn ein Korn. Die „Bild“-Zeitung titelt am 19. November auf ihrer ersten Seite: „35 Milliarden für den Krieg im Weltall“. Am gleichen Tag stellte Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) die neue Weltraumstrategie der Bundeswehr vor. Der deutsche Michel sucht sich ab sofort seine Feinde auch im All. Kam gestern noch die Bedrohung von „Freiheit und Wohlstand“ von den aus Moskau ferngesteuerten Drohnen über deutschen Äckern, geht die Bundesregierung jetzt im Orbit in Stellung. Ganz wie im Filmklassiker „Star Wars – Das Imperium schlägt zurück“ bedrohen auch 30.000 Kilometer über der Erde finstere Mächte mit ihren tückischen Waffen die westlichen Werte.

Und der Feind hat einen Namen: „Shijian-21“. Chinesische Satelliten dieser Baureihe haben nämlich tentakelartige Greifarme, die friedvolle bundesdeutsche Satelliten, wenn sie es trotz Fehlstarts und technischer Defekte mal in den Weltraum geschafft haben, aus dem Verkehr ziehen. Das sagt zumindest die frischgebackene Expertin für Kriegstüchtigkeit im All Antje Nötzold, Vizepräsidentin der „Gesellschaft für Sicherheitspolitik“, die zurzeit durch Universitäten und regierungstreue YouTube-Kanäle tingelt. Die 48-seitige Hochglanzbroschüre der Bundesregierung zeigt dann auch auf Seite 16, wie ein brutaler Greifer ein harmloses Satellitenobjekt abräumt. Dumm gelaufen beim Layout, dass das KI-generierte Foto nicht Shijian zeigt, sondern das EU-Projekt des Weltraumschrottbeseitigers „ClearSpace-1“. Egal, Haupt­sache Bedrohung.

Dass die Unschuld bundesdeutscher Militär- und BND-Satelliten zudem von russischer Erde aus gefährdet wird, vermutet die 300 Mann starke Truppe des in Uedem ansässigen „Weltraumkommandos BW“. Um optische Aufklärungssatelliten zu blenden, die über russischem Gebiet ihren Dienst tun, hat die russische Armee doch tatsächlich das Lkw-basierte Hochenergie-Lasersystem „Peresvet“ entwickelt, das in Zukunft die Zielsteuerung von auf Russland gerichteten NATO-Raketen zunichte macht.

Diesen Selbstschutz kann sich der kriegshungrige Westen nicht bieten lassen. Und dafür „nehmen wir auch richtig Geld in die Hand“, kündigte Pistorius schon auf dem „Weltraumkongress“ des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) am 25. September dieses Jahres an. Der BDI steuerte in seiner Stellungnahme den Business-Plan für die lichte Zukunft einer rüstungsorientierten Wirtschaft bei und forderte gleich einen „nationalen Weltraumrat“. Neue verquere militärische Weisheiten hatte der BDI auch parat. Die Tatsache nämlich, dass Russland weit weniger Satelliten im All hat als der Westen, zeige gerade die besondere Gefahr aus dem Osten. Denn Russland „hätte bei einem Einsatz entsprechend weniger zu verlieren“.

Wer den Weltraum tatsächlich militärisch aufmischt, belegen Zahlen. Im vergangenen Jahr investierten die USA 53,1 Milliarden US-Dollar, die EU 14,88 Milliarden Euro, die Volksrepublik China 9,3 Milliarden US-Dollar und Russland 2,3 Milliarden US-Dollar in Weltraum-Militärtechnik. Die von Pistorius aufgerufenen 35 Milliarden Euro belegen vor diesem Hintergrund den Größenwahn eines technischen Zwerges, der nun auch im Weltraum mitreden will.

Bisher war die deutsche Weltraumstrategie eher kläglich: Die von der Firma „Isar Aerospace“ im bayrischen Ottobrunn gebaute Transportrakete „Spectrum“ stürzte nach dem Start im norwegischen Andoya binnen Sekunden ins Meer. Die Rakete vom Konkurrenten „Rocket Factory Augsburg“ explodierte im August 2024 noch auf der Startrampe. Von den drei vor einigen Jahren ins All gebrachten Bundeswehrsatelliten zum Stückpreis 400 Millionen Euro funktioniert nur einer, bei zweien stellten sich die Antennen nicht auf. So kann’s gehen, wenn man auf die Greifarme zur Außenreparatur verzichtet.

Das soll sich jetzt alles ändern. In der Strategie ist davon die Rede, dass die Zeiten eines friedlichen Weltraums vorbei seien und das All genauso eine „operative Domäne“ sei wie Land, See, Luft und Cyber. Deutschland solle nicht mehr in der Position des „Beobachters“ (Space Situational Awareness) verharren, sondern aktiv militärisch agieren. Mit dem zarten Pflänzchen der zivilen Tradition deutscher Raumfahrtpolitik ist es damit endgültig vorbei. Nur konsequent, dass Deutschland seit Oktober des vergangenen Jahres Teil der US-geführten „Operation Olympic Defender“ ist. Unter dem Schirm des „Combined Space Operation Center“ in Vandenberg in den USA planen hier deutsche Offiziere zusammen mit Briten, Australiern, Kanadiern militärische Aktionen im Weltraum.

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"Fehlt nur noch der Todesstern", UZ vom 28. November 2025



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