Sophia zur Einschätzung des BRICS-Bündnisses

Hoffnung nicht in andere setzen

Sophia, Mannheim

Es gilt das gesprochene Wort.

In den Leitgedanken wird davon gesprochen, dass dem Imperialismus ein Hegemonieverlust drohe, und dieser durch den Zusammenschluss bisher unterdrückter Länder verstärkt werde. Das wird unter anderem daran festgemacht, dass die BRICS-Plus-Staaten Alternativen zu IWF, Weltbank und Co. etablieren.

Die These, die ich im Folgenden begründen möchte, lautet, dass das BRICS-Bündnis ein widersprüchlicher, teilweise eher loser Zusammenschluss verschiedener Länder mit kapitalistischer Wirtschaft ist, die an vielen Stellen mit den „alten“ imperialistischen Ländern zusammenarbeiten. Sie haben keine antiimperialistische Stoßrichtung.

Es stimmt, dass das gemeinsame Bruttoinlandsprodukt (BIP) der ursprünglichen fünf BRICS-Staaten – gemessen an der Kaufkraftparität – inzwischen das der G7-Staaten übertrifft. Diese Kennzahl zeigt, wie viel Waren und Dienstleistungen im Inland für das BIP erworben werden können. Rechnet man die neuen BRICS-Plus-Mitglieder hinzu, vergrößert sich der Abstand zusätzlich. Doch diese Entwicklung ist differenziert zu betrachten.

Zunächst ist festzuhalten, dass zwischen den BRICS-Staaten ein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht herrscht. China erwirtschaftet mit 17,6 Prozent einen Großteil des weltweiten BIP-Anteils der Gruppe, gefolgt von Indien mit 7 Prozent. Russland, Brasilien und Südafrika tragen gemeinsam nur 6,1 Prozent bei. Von einer gleichmäßig verteilten Wirtschaftskraft kann also keine Rede sein. Auch beim Pro-Kopf-BIP fallen die BRICS-Staaten im globalen Vergleich nicht besonders auf. Dabei ist zu beachten, dass das BIP auch nur eine begrenzt aussagekräftige Größe ist.

Die BRICS-Staaten unterscheiden sich zudem stark hinsichtlich Bevölkerung, geografischer Lage, wirtschaftlicher Struktur und Handelsbeziehungen – sie als Block zu begreifen, blendet Unterschiede und Widersprüche zwischen diesen Staaten aus. Hinzu kommt, dass multilaterale Institutionen, die als Alternativen zu den vom Westen dominierten Einrichtungen wie dem IWF oder der Weltbank fungieren könnten, bislang kaum Gewicht haben. Die 2015 in Shanghai gegründete Neue Entwicklungsbank (NDB) wird oft als mögliche Gegenmacht zu IWF und Weltbank genannt. Doch die behauptete „Verschiebung des Kräfteverhältnisses“ erscheint angesichts der Realität übertrieben. Ein Beispiel dafür ist das Verhältnis zwischen SWIFT, dem US-dominierten internationalen System zur Abwicklung von Bankgeschäften, und der chinesischen Alternative CIPS: Die CIPS-Transaktionen betragen lediglich 1,34 Prozent derer von SWIFT.

Entscheidender ist jedoch das qualitative Argument: Die behauptete klare Abgrenzung der BRICS-Institutionen gegenüber IWF und Weltbank existiert kaum. Die Regelwerke der NDB orientieren sich an den Vorgaben der Weltbankgruppe. Hinzu kommen ihre zunehmenden Verflechtungen mit ebenjenen Banken sowie die Einhaltung westlicher Sanktionen gegen Russland – alles Faktoren, die es schwer machen, die NDB als echte Alternative zu betrachten.

Ein weiteres Beispiel ist die im Rahmen der Belt and Road Initiative in Laos betriebene Eisenbahnstrecke: Die Bahnlinie dient vor allem dem Export von Rohstoffen und verderblichen Waren nach China sowie dem Transitverkehr aus Nachbarländern – nicht jedoch dem Aufbau einer laotischen Industrie oder der Förderung der Eigenständigkeit des Landes. Laos verschuldet sich dafür massiv bei der China Exim-Bank, während die Bauaufträge ausschließlich an chinesische Firmen gehen – so bleibt das Land als bloßer Rohstofflieferant finanziell und strukturell abhängig. Brasilien erhebt, wie die USA, Zölle gegen China. Indien arbeitet teilweise eng mit Britannien und den USA zusammen. Ein Beispiel dafür ist die Initiative on Critical and Emerging Technology, die 2023 gestartet wurde und die strategische Zusammenarbeit zwischen Indien und den USA in Bereichen wie Halbleiter, KI und Verteidigungstechnologie fördern soll. Sie ist Teil der US-Strategie, Indien als mögliches geopolitisches Gegengewicht zu China zu stärken und zugleich wirtschaftliche Partnerschaften im Indopazifik auszubauen. Für Indien ist die Zusammenarbeit mit den USA eine Möglichkeit, technologisch aufzuschließen, ohne sich in ein formales Bündnis einbinden zu müssen. China will den Handel mit den USA, weil er dem chinesischen Kapital nützt, auch wenn es gleichzeitig in ökonomischer Konkurrenz zum US-Kapital auf dem Weltmarkt steht.

Wer diesen Ländern pauschal einen antiimperialistischen Charakter zuspricht, läuft Gefahr, die inneren Machtverhältnisse dieser Staaten zu ignorieren – zu ignorieren, dass auch in den BRICS-Staaten der Klassengegensatz existiert, und ihre Bourgeoisien notwendigerweise eigene ökonomische und geopolitische Interessen verfolgen. Falsch wäre es, diese Länder lediglich hinsichtlich ihrer Position gegenüber der NATO zu bewerten. Ohne Frage: Gäbe es einen bewussten Widerstand gegen den Imperialismus, würden wir diesen begrüßen, auch wenn fortschrittliche Kräfte die dadurch entstehenden Spielräume nicht automatisch nutzen könnten.

Wir sehen also: Das BRICS-Bündnis richtet sich nicht nur nicht pauschal gegen die imperialistischen NATO-Staaten, die ihm angehörenden Länder wenden auch selbst Methoden zur Sicherung und zum Ausbau ihres Platzes an der Sonne an, die eine gewisse Aggressivität aufweisen.

Was ist die Schlussfolgerung daraus? Als Kommunistische Partei in Deutschland – einem imperialistischen Zentrum – muss unsere Hauptaufgabe sein, die Kraft, die wir haben, um den deutschen Imperialismus zu bekämpfen, zu stärken. Und diese Kraft liegt nicht in der Hoffnung auf einen antiimperialistischen Block, der die Arbeit für uns übernimmt und unseren Hauptfeind in die Knie zwingt – nein, unsere Kraft liegt im Aufbau einer organisierten Arbeiterbewegung, die ihre Errungenschaften verteidigt und für einen revolutionären Bruch, für den Aufbau des Sozialismus in diesem Land kämpft.

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