Ausbildungsplätze statt Wehrpflicht

Im eigenen Inte­resse

Wehrpflicht – die Pflicht, sich zu wehren. Gegen wen?! Gegen die, die marode Schulgebäude, unbezahlbare Wohnungen und ein völlig kaputtgespartes Sozialsystem zu verantworten haben? Gegen die, die sich weigern, uns in ausreichender Menge Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen? Gegen das eine Prozent Besitzende, bei denen sich immer mehr Vermögen konzentriert, auch dank Krieg und Aufrüstung? Nein, genau das ist nicht gemeint. Die Wehrpflicht, die Pflicht, sich zu wehren, richtet sich aus Sicht der Profiteure und politisch Verantwortlichen gegen eine angebliche Bedrohung von außen – durch „den Russen“, „den Chinesen“ oder sonstwas „Fremdes“.

In den Chefetagen großer Unternehmen knallen die Sektkorken. Anstatt über ihre Verpflichtung zu diskutieren, uns vernünftig auszubilden, sollen wir fröhlich lächelnd im Flecktarn kriegstüchtig werden. Doch Arbeit und Ausbildung bei der Bundeswehr bedeuten: keine Mitbestimmung, Drill und Kasernenhofton. Sie bedeuten: Ausbildung nach dem Bedarf der Bundeswehr, nicht nach unserem Bedarf an Bildung und Gesundheit. Eine Ausbildung mit mickrigen Azubigehältern, die nicht zum Leben reichen, kann sich längst nicht mehr jeder leisten. Deshalb ist es nicht „freiwillig“, wenn Jugendliche zur Bundeswehr gehen, die sie mit hohen Vergütungen und zum Beispiel der Unterstützung für den Führerschein lockt. Wenn Schülerinnen und Schüler jetzt gegen die Wehrpflicht mobil machen, gehören Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter an ihre Seite.

Deshalb ist es gut, dass die DGB-Jugend im Namen aller Gewerkschaftsjugenden in einem bundeweiten Beschluss betont: „Die DGB-Jugend bleibt antimilitaristisch. Wir setzen uns gegen jede Militarisierung der Gesellschaft ein. Unser Handeln steht im Geiste der Friedensbewegung unter dem Motto ‚Nie wieder Krieg!‘“ Die DGB-Jugend lehnt in dem Beschluss die Wiedereinführung der Wehrpflicht und des Zivildienstes und die Einführung anderer Pflichtdienste für junge Menschen ab. Sie betont auch den Aspekt der sozialen Ungerechtigkeit: „Auch ein freiwilliger Wehrdienst belastet insbesondere Menschen aus Haushalten mit geringem Einkommen.“ Für sie scheine der Dienst eine attraktive Alternative zur Ausbildung zu sein, die sie sich leisten können. Und weiter: „Doch ohne abgeschlossene Berufsausbildung steigt das Risiko, später in prekäre Beschäftigung zu geraten. So verstärkt selbst ein freiwilliger Dienst die soziale Ungleichheit.“

Die IG-Metall-Jugend positioniert sich darüber hinaus „strikt gegen die Präsenz von Bundeswehr und Militär an Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen“. Dies ist umso dringlicher, da die Bundeswehr ihre aggressive Präsenz in den Schulen und im öffentlichen Raum in den letzten Jahren massiv erhöht hat. Dabei sollen Hochglanzbroschüren zum schönen Leben beim Bund, die Bundeswehr bei Pride-Aktionen zur Betonung ihrer Wokeness und das abstrakte Gerede von unserer bedrohten Sicherheit nur vom Wesentlichen ablenken: Die Rekrutierung zum Militär ist immer noch ein „Werben fürs Sterben“. Dabei geht es nicht um ein irgendwie „ehrbares“ Anliegen, sondern es geht schlicht um den Reichtum der Leute, die für die Sicherung ihrer Profite und Absatzmärkte nicht selbst den Kopf hinhalten wollen. Darüber können auch Regenbogen-T-Shirts mit Bundeswehr-Logo und „Panzerfahrten für Schulkinder“ nicht hinwegtäuschen.

Weil das aus Sicht von Regierung und Bundeswehr immer noch viel zu viele erkennen und den Anwerbern in Schulen und auf Jobmessen den Vogel zeigen, wird jetzt die Wehrpflicht aus der Mottenkiste geholt. Dagegen gilt es, sich zu wehren. Nicht aus Pflicht, sondern aus Überzeugung und im eigenen Inte­resse.

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"Im eigenen Inte­resse", UZ vom 5. Dezember 2025



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