Am 12. November scheiterte vor dem Berliner Landgericht II ein Gütetermin. Der Architekt, Projektentwickler und Vermieter Stefan Klinkenberg hatte eine Räumungsklage gegen das Theater Ost erhoben. Er bot eine Frist bis Ende 2026 an, aber Intendantin Kathrin Schülein lehnte ab. Sie fürchtet, nicht wieder in das Haus zurückkehren zu können. Zu Recht.
Klinkenbergs Architekturbüro, heißt es auf dessen Internetseite, verfolge „einen ganzheitlichen Ansatz“ von der Idee bis zur Hausverwaltung. Übersetzt: Bauhai mit dem Esoterikpuschel „Ganzheitlichkeit“. Die blieb beim Theater Ost auf der Strecke. Klinkenberg, der sich 2017 das verfallene Schloss Broock in Vorpommern zulegte und es seither auf der „größten Gutsbaustelle des Landes“ („Nordkurier“) sanieren lässt, erhielt 2021 vom Land Berlin in Erbbaupacht sozusagen obendrein das Gebäude, in dem das Theater Ost seit 2015 Mieter ist. Das Grundstück blieb beim Senat. Das denkmalgeschützte Haus im Bauhausstil wurde 1952 für das DDR-Fernsehen in Berlin-Adlershof errichtet. Das produzierte dort von 1957 bis zur Abwicklung am 31. Dezember 1991 die Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“. Es ist „stark verfallen“, wie Schülein in einem Brief an den Senat schreibt, der am 4. Dezember von der „Berliner Zeitung“ veröffentlicht wurde, aber „durch das Kollektiv des Theaters Ost wurde es in den letzten Jahren vor dem Einsturz bewahrt“. Zuerst sei die Übergabe an Klinkenberg „als Segen empfunden“ worden, aber wegen „einerseits Profitinteressen des Investors, anderseits kulturhistorischen und emanzipatorischen Interessen der Betreibergruppe“ habe sich das „zu einem strukturellen Problem entwickelt“. Das Ergebnis seien die Kündigung des Mietvertrages und die Räumungsklage. Die „Muster der Vorgehensweisen“ der Treuhand hätten sich 35 Jahre später „nicht geändert“.
Solch Abweichen vom demokratischen Konsens, wonach 1990 die DDR-Bürger befreit wurden, hat wenig Chancen beim CDU/SPD-Senat der neuen Fronthauptstadt. Der beschloss zwei Tage vor Veröffentlichung des Schülein-Briefes die lokale Kriegsertüchtigung. In den Worten des Regierendem Bürgermeisters Kai Wegner (CDU): „Berlin soll zu einem europäischen Leuchtturm werden im Bereich Sicherheitstechnologien und Resilienz.“ Dazu werde, ergänzte Ex-DDR-Bürgerin Franziska Giffey (SPD), ein „Deftech-Ökosystem“ von Rüstungsfirmen, Organisationen und Wissenschaft geschaffen.
Das bedeutet: Noch schlechtere Zeiten als bisher für Unabhängige und Unbotmäßige. Schülein hatte in ihrem meist gut besuchten Theater Ende April zum Beispiel den russischen Botschafter Sergej Netschajew zu Gast. Bisher steuerte der Stadtbezirk Treptow-Köpenick etwas zum Theater bei, aber auch das Wenige fällt wohl weg. Schülein formulierte in ihrem Brief: Das Theater solle „in einem Kahlschlagversuch unter Ignoranz spezifisch ostdeutscher Zusammenhänge aus dem Haus geklagt werden“. Eigentum der DDR solle nach „den Mustern der Abwicklung“ in die Hände von Personen, die „nur unternehmerische Interessen haben“, gegeben werden.
Das war, lässt sich sagen, der Hauptzweck des Anschlusses: Übernahme der Immobilie DDR. Da stört Bevölkerung. Die Solidaritätsaktionen für das „kleine Partisanentheater“ (Liedermacher Hans Eckardt Wenzel) mit der Schriftstellerin Daniela Dahn, dem Verleger der „Berliner Zeitung“ Holger Friedrich oder Gregor Gysi stören vergleichsweise kaum – siehe die damaligen Proteste gegen die Treuhand.
Denn die politischen Vertreter der Baulöwen reizen nicht öffentlich durch Verbote, sie sorgen lediglich rechtsstaatlich für Mietervertreibung und Vernichtung wirtschaftlicher Existenzen. Am 19. Dezember will sich der Richter beim Berliner Landgericht wieder äußern.
Im Theater Ost findet am 9. Januar 2026 eine Veranstaltung der DKP statt. Zum Thema „Was bedeutet eine multipolare Weltordnung im Kampf gegen den Imperialismus?“ diskutieren Vertreterinnen und Vertreter der Botschaften Chinas, Kubas und Vietnams.


