Polizeigewalt und Gummibärchen

Jetz’ ist auch egal

Kolumne oder so

Vatertach. Und „Ska im Westpark“. Mehrere tausend Skins, Punks, Hippies und Normalos schwingen umsonst und draußen das Tanzbein. Völlig stressfrei, teils ganze Familien sind dabei. If the kids are united. Okay, „the kids“ sind im Altersdurchschnitt locker bei 40. Aber Spaß haben sie trotzdem. Ich stemme mich von der Bierbank hoch und begebe mich unter die Schwofenden. Frei nach „Rantanplan“: Wenn die Revolution nicht tanzbar ist, sind wir nicht mit dabei! „Burning feets“? Jetz’ ist auch egal!

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Wort und Tat. „Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen“, sagte Friedrich Merz zum israelischen „Vorgehen“ im Gazastreifen. Immerhin. Was Friedrich Merz seitdem tut: nichts.

Urologie I. Männeruntersuchungen. Ein Wartezimmer voller älterer Herren. Nach 25 Minuten erscheint eine junge Schwester: „Die beiden Ärzte haben viel zu tun. Aber die Ärztin hätte jetzt Zeit. Wer würde denn auch …?“ „Ich!“, rufe ich, weil: „Jetz’ ist auch egal.“

Sport. Im Endspiel der Fußball-Championsleague überrollt Paris SG Inter Mailand mit 5:0. Ich komme nach Beginn der 2. Halbzeit von einem netten Konzert und gucke mir den Rest an. Es tat ein bisschen weh, weil die Italiener uralt aussahen und auch spielten, und es tat sehr weh, wenn man wusste, wer oder was hinter einer brillant aufspielenden Pariser Mannschaft steckte: Katar. Seit Nasser Al-Khelaifi 2011 das Präsidentenamt übernommen hat, hat Katar in PSG über eine Milliarde Euro investiert. Ziel: Die grausamen Zustände im eigenem Land mit „Greenwashing“ oder „Sportwashing“ zu übertünchen. Immerhin, das muss man auch erwähnen: Die PSG-Fans zogen in einer ellenlangen Demonstration für die Freiheit Palästinas durch München ins Stadion. Respekt.

Faulheit und Arbeit. „CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will mehr Leistungsbereitschaft: ‚Zum Beispiel von Rentnern‘.“ Aber sicher. Da buckelt man 50 Jahre im 8-Stunden-Takt, robbt sich gerade so über die Ziellinie in eine Rente, die zum Sterben nicht reicht, und soll zur Belohnung mehr Leistungsbereitschaft zeigen. Ich sag’s mal auf Ruhrpottdeutsch: Nö, Arschloch.

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So sieht einer aus, der fordert, dass der Mensch doch im Ruhestand mehr Leistung bringen muss. Findet jemand den Fehler? (Foto: Thorsten Schneider / Wikimedia / CC BY-SA 3.0 / Bearb.: UZ)

Urologie II. Die Ärztin ist super. Schwatzt mit mir, als wären wir alte Kumpels, macht diese (unangenehme) Untersuchung und jene (unangenehme) Untersuchung. Ich vergesse beim Plaudern zwischendurch, rot zu werden oder mich in Grund und Bordüre zu schämen. Was ja letztendlich auch Unsinn wäre. Trotzdem bin ich froh, als es vorbei ist. Und: Alles im Lack!
Eat shit. „In den Niederlanden: Haribo ruft Happy-Cola-Fruchtgummis zurück – wegen Cannabis.“ (n-tv.de). Schade eigentlich, wäre ich zum ersten Mal mit Cola happy gewesen.

Bastards. Die Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, hat Ärger wegen eines Fotos, auf dem sie einen Pullover mit dem Schriftzug „ACAB“ trägt. „Viele Grünen-Politiker reagierten empört, einige legten ihr auch den Rücktritt nahe.“ („Tagesspiegel“) Darauf Nietzard: „Viele Menschen, die nicht weiß sind, haben Angst, wenn ein Polizeiwagen vorbeifährt; und nicht mal jede zehnte Frau, die sexuelle Gewalt erfährt, erstattet Anzeige, weil sie Angst hat, dass ihr nicht geglaubt wird.“ Ich hab’s ja gar nicht mit den Grünen. Aber in dem Fall: Isso.

Buch. Einen kleinen Artikel sollte ich schreiben für ein Buchprojekt „Dortmunder Subkultur 1978 bis 1998“. Hab ich gemacht. Wohl so prima, dass die Macher einen zweiten, dritten, vierten und fünften wollten. Hab ich gemacht. Heute, am Sonntag, rauscht der sechste „Auftrag“ rein, unentgeltlich natürlich, wie alle anderen. Schaue traurig auf Boulekugeln und Bier, setze Kaffee auf und denke: Jetz’ ist auch …

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"Jetz’ ist auch egal", UZ vom 6. Juni 2025



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