Abbas war der UN-Vollversammlung per Video zugeschaltet – und sprach vor allem gegen die Hamas

Keine historische Rede

Alle reden von der Zweistaatenlösung – doch die Vertreter Palästinas durften auf Anweisung von US-Präsident Trump nicht zur 80. Sitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen nach New York einreisen. Trotz der Welle der Anerkennung Palästinas nun endlich auch durch westliche Staaten traf das Einreiseverbot nur auf ein müdes „so what?“.

Auch 37 Jahre zuvor, als die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Jassir Arafat eingeladen hatte, erhielten die Vertreter Palästinas und der PLO kein Visum. Damals kam die Reaktion der 43. Sitzung der UN-Vollversammlung unmittelbar: mit überwältigender Mehrheit stimmte sie dafür, die Sitzungsperiode nach Genf zu verlegen.

Arafat beschrieb in seiner kämpferischen Rede die Angriffe Israels, den Siedlungsbau, den Krieg im Libanon und den Widerstand der palästinensischen Jugend, die sich in der Intifada der Besatzungsmacht in den Weg stellte. Als Traum der PLO nannte er einen demokratischen Staat Palästina, in dem Christen, Juden und Moslems als Gleichberechtigte leben könnten. In der Realität musste die PLO in vielen Friedensverhandlungen Abstriche machen und sprach zukünftig von der Zweistaatenlösung.

Der Präsident der Autonomiebehörde Mahmud Abbas beschrieb in seiner Rede, die in der vergangenen Woche per Video nach New York übertragen wurde, wie einst Arafat das Vorgehen Israels – es stellt heute mit Kriegen, Apartheid und Siedlungsbau das von 1988 weit in den Schatten.

Als sein Ziel nannte Abbas Palästina als einen Staat ohne Waffen. Das ist kein Ansporn für andere, dem Beispiel Palästinas zu folgen und sich zu entwaffnen, sondern ein Zeichen der Kapitulation. Gaza soll, so die Vorstellung Abbas‘, als Teil Palästinas unter die Kontrolle und Verwaltung der Autonomiebehörde gestellt, die Hamas soll entwaffnet werden und in der künftigen Verwaltung von Gaza keine Rolle spielen.

Dabei ergeben Umfragen vor Ort – in Gaza und der Westbank – unter schwierigsten Bedingungen durch das „Palästinensische Zentrum für Strategie und Umfrageforschung“ durchgeführt – bei allen Veränderungen seit Beginn des Krieges zwei Konstanten: Die überwältigende Mehrheit der Befragten ist für den Rücktritt von Abbas und eine ebenso überwältigende Mehrheit ist gegen die Entwaffnung der Hamas. Auch wenn im Verlaufe des Krieges die Unterstützung für die Hamas sank, so wird sie doch von den Befragten positiver gesehen als Abbas.

Korruption und Misswirtschaft gehören zu den Gründen für die Ablehnung, die Abbas in Palästina erfährt. Aber auch die Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht in „Sicherheitsfragen“, wie sie in der Belagerung und den Angriffen auf Dschenin mit gepanzerten Fahrzeugen und schweren Waffen im Januar kulminierte. Bei der letzten Befragung sprachen sich 81 Prozent für den Rücktritt von Abbas aus. Zum Präsidenten gewählt wurde er vor 20 Jahren, seitdem tragen ihn die mehr als 60 Prozent, die er damals erhielt, über die Zeit. Wahlen versprach er für die Zeit nach dem Krieg – wieder einmal.

Während Gaza zerstört und Dschenin immer wieder von der israelischen Armee angegriffen wird, feiert man auf dem Hügel von Ramallah ein Einkaufsparadies. Markengeschäfte von Armani bis Wrangler, Dutzende von Restaurants, ein hochmodernes Kino sorgen auf zehntausenden Quadratmetern für ein „rauschendes Fest“. Auch auf der Westbank gibt es eben Unternehmen, die gute Profite machen – auch im Handel mit Israel.

Und die Mitarbeiter? Die Arbeitskräfte in Palästina sind gut ausgebildet und arbeiten trotz schlechter Infrastruktur mit moderner Technologie – soweit sie nicht arbeitslos sind. Trotz einer leichten Erholung liegt der Umfang der Wirtschaftstätigkeit auf der Westbank 17 Prozent unter dem Vorkriegsniveau. Auch hier haben die Menschen eine bessere Zukunft verdient. Ihnen galt das Schlusswort von Mahmud Abbas: „Wir werden unser Land nicht verlassen. Wir bleiben verwurzelt wie die Olivenbäume und werden aus den Ruinen auferstehn und aus diesem gelobten Land Botschaften der Hoffnung und Brücken zu einem gerechten Frieden aussenden.“

Doch vor der Realisierung dieser Vision stehen unzählige israelische Checkpoints, Siedlungen, die Gewalt von Siedlern und Armee. Die „Internationale Gemeinschaft“ ist dem gegenüber planlos.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Keine historische Rede", UZ vom 3. Oktober 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit