Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Genossinnen und Genossen,
in unseren Leitdokumenten der letzten Parteitage wird die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit als zentrales Feld unserer politischen Praxis hervorgehoben. Sie ist kein Nebenschauplatz, keine Ergänzung zu anderen Aufgaben, sondern eine Kernaufgabe unserer Partei, wenn wir als kommunistische Kraft in diesem Land eine Rolle spielen wollen.
Die Begründung dafür ist ebenso klar wie historisch gewachsen: Die Arbeiterklasse ist die Hauptkraft im antimonopolistischen Kampf. Ohne sie lässt sich kein Widerstand gegen den Kapitalismus organisieren, keine gesellschaftliche Alternative aufbauen. Doch diese Hauptkraft existiert nicht automatisch – sie muss organisiert, bewusst gemacht, kampffähig werden. Und das gelingt nur, wenn wir dort präsent sind, wo die Klasse lebt, arbeitet und kämpft – vor allem in den Betrieben und den DGB-Gewerkschaften.
Der Betrieb als Ort der Klassenauseinandersetzung
Der Betrieb ist nicht nur Ort der Lohnarbeit, sondern auch Ort des direkten Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit. Hier zeigt sich der Kern des Klassenwiderspruchs, hier erleben Menschen täglich die Auswirkungen von Leistungsdruck, Rationalisierung, Leiharbeit, Outsourcing, Digitalisierung, Standortkonkurrenz. In dieser Realität entscheiden sich die Bedingungen, unter denen sich Bewusstsein verändert – oder eben nicht. Nämlich dann, wenn unser Einfluss sich nicht vergrößert.
Doch der Betrieb ist auch Ort kollektiver Erfahrung: von gemeinsamer Pausenunterhaltung bis zu Auseinandersetzungen im Betriebsrat oder Tarifkämpfen. Wenn es uns gelingt, als Kommunist:innen genau hier verankert zu sein, können wir Einfluss nehmen, Orientierung geben und Impulse für eine klassenkämpferische Praxis setzen.
Ziele unserer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Unsere Arbeit verfolgt mehrere strategische Ziele:
- Die Herausbildung proletarischen Klassenbewusstseins,
- Die Förderung der Aktionseinheit der Klasse – gegen Spaltung und Standortlogik,
- Die Politisierung betrieblicher Auseinandersetzungen,
- Die Verbindung von Betriebs-, Kommunal- und Friedensfragen,
- Den Aufbau kämpferischer gewerkschaftlicher Strukturen, unabhängig von sozialpartnerschaftlicher Ausrichtung.
Diese Ausrichtung wurde auf dem 25. Parteitag in der Orientierung „Heizung, Brot und Frieden – In der Klasse wirken“ zusammengefasst. Die betriebliche Arbeit bildet das erste Standbein dieser Orientierung – gemeinsam mit der kommunalpolitischen Verankerung.
Konkrete Kampffelder und betriebliche Praxis
Unsere inhaltlichen Forderungen spiegeln zentrale gesellschaftliche Auseinandersetzungen wider:
- Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich,
- Abschlagsfreie Rente mit 60,
- Verbot prekärer Beschäftigung,
- Wiederherstellung eines öffentlichen Gesundheitswesens,
- Kostenlose Bildung und Aufwertung sozialer Berufe,
- Demokratische Kontrolle über eine staatliche Infrastruktur.
Diese Forderungen sind nicht losgelöst von der betrieblichen Realität – und sie sind nicht neu –, sondern in den beschlossenen Dokumenten unserer Partei zu finden. Sie müssen in der Klasse verankert und mit der Lebenswelt der Kolleg:innen verbunden werden. Dazu gehört auch die Thematisierung der Hochrüstungspolitik, der Auswirkungen von Militarisierung auf Sozialabbau und gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit.
Herausforderungen und politische Klarheit
Wir machen uns dabei keine Illusionen. Die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit steht ebenso unter einer schlechten Ausgangssituation. Prekarisierung, Homeoffice, Deindustrialisierung, insbesondere im Osten, erschweren die Organisierung. Erschwert wird die Organisierung in Gewerkschaften auch durch die abnehmende Tarifbindung der Unternehmen, bei der gleichzeitigen zunehmend defensiveren Rolle der Gewerkschaften in Tariffragen. Dazu ist das Bewusstsein in der Klasse oft durchzogen von Standortdenken, Konkurrenz oder Illusionen in die Sozialpartnerschaft.
Ein wichtiger Ansatzpunkt für uns ist daher die Begleitung von Tarifrunden. Durch das restriktive Streikrecht in Deutschland sind diese derzeit der alleinige Punkt, an dem die Arbeiterklasse in der Lage ist, in die konkrete Auseinandersetzung geführt zu werden. Daher beobachten wir die Tarifrunden – insbesondere in den Branchen, in denen auch Genoss:innen vertreten sind, und vernetzen diese und organisieren unsere Beteiligung. Hier haben wir Fortschritte gemacht. Mehr dazu in der nachfolgenden Diskussion.
Die Gewerkschaften orientieren sich faktisch an staatlich-kapitalistischen Lösungen – sei es bei der „konzertierten Aktion“ oder in der faktischen Unterstützung der Kriegspolitik. Deshalb ist es so wichtig, dass kommunistische Kräfte innerhalb der Gewerkschaften eine konsequente klassenorientierte Linie vertreten – und sich gegenseitig stärken und vernetzen. Die Verankerung unserer Partei in Betrieben und Gewerkschaften war auch in den 1980er Jahren eine Voraussetzung für die Massenbasis der westdeutschen Friedensbewegung.
Heute sind unsere Ausgangsbedingungen deutlich schlechter. Daher ist die Aufgabenstellung, die wir uns auf den vergangenen Parteitagen und dem heutigen hinsichtlich der betrieblichen Verankerung der Partei gegeben haben, von immenser Bedeutung für den Kampf gegen die sogenannte Herstellung der „Kriegstüchtigkeit“ und unseren Einsatz gegen Krieg und für den Frieden. Leider hat sich die Bedeutung der BuG-Arbeit noch nicht so in der Partei gesetzt. Mir wurde schon als Argument entgegengehalten: „Das dauert zu lange, sich dort zu verankern, und deswegen müssen wir … alles andere tun.“ Ja – es ist ein zähes Geschäft, aber wir kommen voran, wie die Gründung der Betriebsgruppen zeigt, und ich empfehle auch einen Blick in die Rechenschaftsberichte im Arbeitsheft 1. Hierzu nur kurz: Während bis zum letzten Parteitag zaghafte Versuche der Vernetzung vorhanden waren und der Schwerpunkt auf Gründung von Branchentreffen gesetzt wurde, haben wir seit dem letzten Parteitag die zentrale Arbeit auf eine qualitativ neue Stufe gestellt. Eine kontinuierlich arbeitende BuG-Kommission mit kollektiver Leitung und Anbindung an die Bezirke, zwei Aktiventreffen, drei Klausurtagungen und die ersten Betriebsgruppen sind einige Stichworte und sind konkrete Ergebnisse der letzten zwei Jahre. Diese recht positive Entwicklungen im Bereich der BuG-Arbeit der Partei sind kein Zufall: Mehr Genoss:innen sind im Betrieb aktiv und haben Bedarf und stellen Anforderungen, brauchen den Austausch – um auch klar zu haben, was unsere Arbeit von anderen unterscheidet. Sie erwarten eine Anleitung, die wir zunehmend gewährleisten. Damit sind wir wesentliche Schritte weitergekommen. Die Anforderungen treiben auch die BuG-Arbeit – beides bedingt sich gegenseitig.
Eine wichtige Grundlage des Erfolges ist aber die Arbeit der SDAJ der letzten zehn Jahre. Mit dem Schwerpunkt der Arbeiterjugendpolitik auf BuG-Politik habe viele Genoss:innen der SDAJ diesen Weg beschritten und bilden jetzt ein Fundament für die Arbeit der DKP. Es ist daher für uns eine Verpflichtung, auf diesem Fundament aufzubauen, um die Grundlagenarbeit der SDAJ nicht ins Leere laufen zu lassen.
Organisatorische Aufgaben der Partei
Unsere Partei ist gefordert, diese Arbeit strukturell abzusichern:
- durch den Aufbau und Ausbau von Betriebsgruppen,
- durch die Erhebung und Steuerung der beruflichen Einbindung unserer Mitglieder, z. B. zur politischen Berufsberatung junger Genoss:innen,
- durch Bildungsarbeit,
- durch regelmäßige Berichte auf Gruppenabenden über betriebliche Kämpfe,
- durch die weitere Zusammenarbeit mit der SDAJ, die systematisch zur beruflichen Verankerung junger Mitglieder beiträgt.
Im Statut der DKP ist festgehalten, dass die Mitwirkung in einer Betriebsgruppe Vorrang hat, wenn die Bedingungen im Betrieb dies zulassen. Diese Gruppen setzen die Parteilinie um, analysieren gemeinsam die Lage der Belegschaften, entwickeln Forderungen und sorgen für eine kommunistische Präsenz im Betrieb. Die Erfahrungen der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit bis 1989 zeigen, dass es gut und richtig ist, dass Betriebsgruppen eng mit Wohngebietsgruppen zusammenarbeiten – etwa bei der Verteilung von Materialien oder bei der politischen Sichtbarmachung betrieblicher Themen im Stadtteil. Da wir nun die ersten Schritte zur Wiedergründung von Betriebsgruppen gehen, sollten diese Erfahrungen berücksichtigt werden.
Betrieb und Frieden – Verbindung herstellen
In dem Entwurf zur Handlungsorientierung des 26. Parteitags wird betont, wie wichtig es ist, Friedensarbeit und Gewerkschaftsarbeit zu verbinden. Die Militarisierung der Gesellschaft – sei es durch Waffenproduktion, Bundeswehrauftritte in Schulen oder die ideologische Aufrüstung – betrifft die Klasse direkt. Hier setzen wir an mit:
- Friedensaktionsprogrammen in Betrieben,
- der Einbindung friedenspolitischer Forderungen in Tarifauseinandersetzungen,
- Veranstaltungen mit gewerkschaftlich und friedenspolitisch Aktiven.
Liebe Genoss:innen,
die Zeit drängt. Der Imperialismus bereitet weitere Kriege vor – sozialer und demokratischer Kahlschlag gehen Hand in Hand. Die Arbeiterklasse wird zum Objekt der Zumutungen – oder sie wird zur handelnden Kraft im Widerstand. Damit letzteres Realität werden kann, braucht es eine starke kommunistische Partei – und eine organisierte Präsenz in den Betrieben und Gewerkschaften. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt: Wo Genoss:innen im Betrieb aktiv sind, dort wächst das Ansehen der Partei. Dort entstehen politische Gespräche, Vertrauen, gemeinsame Aktionen – und letztlich auch neue Mitglieder.
Lasst uns also heute in diesem Erfahrungsaustausch (… ) Bilanz (ziehen) und Erfahrungen und Anregungen zusammentragen.
Danke für die Aufmerksamkeit.