Wohnungsnot und hohe Mieten sollen in Berlin durch Zusammenarbeit mit Kapitalfraktion gelöst werden

Kooperation mit Immobilienhaien

Am letzten Freitag im Januar traf sich die Berliner rot-grün-rote Landesregierung mit den wichtigsten Vertretern der Immobilienmonopole zur Auftaktsitzung des sogenannten „Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“. Inszeniert worden war die Runde nach dem Vorbild Hamburgs von der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und dem Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Andreas Geisel, beides kapitalfreundliche Sozialdemokraten. Unklar blieb die Rolle der ebenfalls anwesenden Vertreter des Berliner Mietervereins, der Gewerkschaften sowie der Partei „Die Linke“ – kamen sie über einen Platz am Katzentisch hinaus oder spielten sie mit? Wahrnehmbarer Protest kam lediglich von der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“. Neubau ist deren Sache nicht – sie forderten eine angemessene Beteiligung an jener Expertenkommission, die binnen eines Jahres über die Möglichkeit der Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids vom letzten September beraten soll. Hier war man nicht eingeladen und demonstrierte vor dem Roten Rathaus.

„Kooperation statt Konfrontation“ mit der Immobilienlobby lautete hingegen die Zusammenfassung durch Giffey. Wohnungsknappheit und zu hohe Mieten seien nur in Zusammenarbeit mit der Kapitalseite, nicht aber durch das Beschneiden ihrer Profite zu bekämpfen. Für Geisel funktioniert das in etwa so: Er will ein „Mietenmoratorium“ durch die Immobilienkonzerne für fünf Jahre, also deren freiwillige Beschränkung von Mieterhöhungen. Diese sollen jedoch die Inflation abbilden dürfen. Derzeit liegt die Inflationsrate bei 5 Prozent. Für Berlin gilt aber bereits jetzt die gesetzliche Regelung, dass Mieten innerhalb von drei Jahren um maximal 15 Prozent erhöht werden dürfen. Da sagt auch der Vonovia-Boss Rolf Buch, dass er sich einen solchen „Mietenstopp“ vorstellen könne, und nutzt die Gelegenheit, einmal mehr Reklame für seine Immobilien-AG zu betreiben, die seiner Meinung nach besonders sozial und mieterfreundlich sei: Man habe sich verpflichtet, Bestandsmieten in Berlin um nicht mehr als 1 Prozent jährlich zu erhöhen. Trotzdem verschickte die „Deutsche Wohnen“, die in Berlin 115.000 Wohnungen besitzt und seit August 2021 zum „Vonovia“-Konzern gehört, letzte Woche massenweise Mieterhöhungsverlangen – um deutlich mehr als 1 Prozent. Auch der Immobilien-Manager Thomas Groth vom „Bund Freier Wohnungsunternehmen“ kann sich dafür erwärmen, allerdings nur, wenn „wir auch was dafür bekommen“ – nämlich Baugenehmigungen und finanzielle Anreize. Verlautbart wurde, dass die Berliner Baukapitalisten 20.000 Wohnungen pro Jahr fertigstellen sollen. 20.000 mal mehr die Möglichkeit, investiertes Kapital mittels fix hochgezogener Billigbauten durch hohe Mieten langfristig und sicher zu vermehren, auch noch mit der Zusage, schnellere Baugenehmigungen auszustellen und allein dadurch den Wert ihrer Grundstücke zu erhöhen sowie sonstige Förderungen ans Kapital auszuschütten? Das „Bündnis“ soll spätestens Ende Juni seine Arbeit aufnehmen, hat aber offenbar bereits geliefert.

Die Mietpreis-Spirale dreht sich indes ungebremst weiter aufwärts. Besonders bitter trifft es die Mietparteien sogenannter Sozialwohnungen, deren Bindung mit dem neuen Jahr auslief. Ebenfalls letzte Woche wurde bekannt, dass in einem Wohnareal in Berlin-Hohenschönhausen zum Jahreswechsel die Mieten um fast ein Drittel monatlich steigen werden, weil in solchen Fällen der übliche Mieterschutz nicht greift. Eine dreiköpfige Familie muss dort für ihre 77 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung 250 Euro mehr Miete, also nun 1.200 Euro zahlen. Ein Problem, das letztes Jahr über 10.000 Berliner Wohnungen betraf. Wer da 2021 eine Corona-Prämie bekommen hat, kann diese gleich für die gestiegene Miete einsetzen, jedenfalls das, was noch nicht für höhere Spritpreise oder Energiekosten draufgegangen ist. Nur – die Corona-Prämie war einmalig. Die Mehrheit dürfte ohnehin keine gesehen haben. Und Mietkosten bleiben und steigen tendenziell weiter. Das rot-grün-rote Berlin macht es möglich.

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"Kooperation mit Immobilienhaien", UZ vom 4. Februar 2022



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