Erneut demonstrierten Zehntausende Israelis in Tel Aviv und Jerusalem gegen den Krieg in Gaza. Eines der größten Transparente forderte US-Präsident Donald Trump auf, die Geiseln zu retten. Tatsächlich verhandelt die US-Regierung weiterhin mit der Hamas und legte ein Abkommen vor. Trump sprach wieder einmal eine „Letzte Warnung“ aus: Die Hamas müsse unterschreiben – sonst drohten Konsequenzen. Benjamin Netanjahu und seine Regierung scheinen vorerst dennoch entschlossen, Gaza vollständig zu besetzen, trotz aller internationalen Kritik, den Problemen der Armee, den Protesten und der Ablehnung des Krieges im Land.
Mehrere Umfragen ergaben mittlerweile eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen den Krieg. Ende August sprachen sich zwei Drittel der Israelis in einer Befragung für ein Abkommen aus, das die Befreiung der Geiseln, ein Ende des Krieges und den Rückzug der israelischen Armee umfassen würde.
Oppositionsführer Jair Lapid verurteilte den Besetzungsplan und warf Premierminister Netanjahu vor, „mehr Krieg, mehr tote Geiseln und Milliarden von Steuergeldern“ in die „Wahnvorstellungen“ von Ministern wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich zu investieren.
Immer wieder kommt es in Diskussionen zwischen Kabinett und dem Generalstab zu heftigen Auseinandersetzungen. Generalstabschef Eyal Zamir warnt, ein Angriff würde das Leben der Geiseln gefährden. Er verlangt ein Abkommen oder zumindest mehr Zeit vor dem Angriff. Der Hauptgrund dafür dürfte der Unwille der Reservisten sein, erneut einberufen zu werden für einen Krieg ohne klares Ziel. Viele Reservisten haben nach mehreren Dienstzeiten finanzielle Probleme oder verlieren ihren Arbeitsplatz.
In vielen Einheiten treten nur 50 bis 70 Prozent der Einberufenen zum Dienst an. Etliche Soldaten, die den Dienst in Gaza verweigern, büßen Strafen in Militärgefängnissen ab.
Israel hat auch Probleme mit dem Material. Die Hälfte oder mehr der Planierraupen „D9“, die zur Zerstörung von Wohnvierteln in Gaza und auf der Westbank eingesetzt werden, sind unbrauchbar oder zerstört, sei es durch Abnutzung oder Angriffe der Hamas. Der Hersteller „Caterpillar“ gerät mittlerweile unter Druck. Wegen des Einsatzes der Maschinen in Gaza hat der norwegische Pensionsfonds („Government Pension Fund Global“) – der größte seiner Art weltweit – die Aktien von „Caterpillar“ und fünf israelischen Banken aus dem Portfolio genommen. Der Fonds gilt als Richtmaß für „verantwortliche Investitionen“.
Die US-Regierung gab sich sehr besorgt über die Entscheidung, die auf unberechtigten Vorwürfen gegen „Caterpillar“ und die israelische Regierung beruhe. Ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärte, man wolle direkt mit der norwegischen Regierung sprechen.
Netanjahu hat nun in einer zynischen Stellungnahme sein Ziel erneut klargestellt: Die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben. Er warf Ägypten vor, die Palästinenser einzusperren und denjenigen, die „freiwillig“ dem Bombenhagel entgehen wollten, den Ausweg zu versperren. Die Hälfte der Bevölkerung wolle gehen – und das sei keine Massenvertreibung. Ägypten und Katar widersprachen Netanjahu scharf und warfen ihm Genozid vor.
Trumps Plan für einen Waffenstillstand, der ein Ende des Krieges auf spätere Verhandlungen verschiebt, würde Netanjahu wohl nur vorübergehend aufhalten.
Mittlerweile haben fast vierhundert Reservisten, die bereits mehrmals im Einsatz waren, eine Stellungnahme unterschrieben, in der sie erklären, einer erneuten Einberufung nicht Folge zu leisten. „Wir weigern uns, an Netanjahus illegalem Krieg teilzunehmen, und sehen unsere Weigerung als patriotische Pflicht an.“