Vor Gericht: Das Anleihekaufprogramm der EZB

Kritik von ganz rechts

Von Lucas Zeise

Das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußert. Weil es sich in diesem Fall nicht zuständig fühlt, reicht es den Fall an den Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung in der Sache weiter. Die EZB kauft im Rahmen des Programms, das die Kläger stört, jeden Monat Staats- und andere Anleihen im Volumen von 60 Mrd. Euro, um die Finanzierungsbedingungen in der Eurozone zu verbessern sowie die Banken zu ermuntern und in die Lage zu versetzen, mehr Kredit zu vergeben.

Die Kläger (CSU-Rechtsanwalt Peter Gauweiler, AfD-Gründer Bernd Lucke und der Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie – BDI, Markus Kerber) hatten sich daran gestört, dass die EZB mit dem Kauf von Staatsanleihen die Eurostaaten indirekt finanziere, was ihr und allen Notenbanken im Euroverbund streng untersagt sei. Das ist es in der Tat. Es gehört zum neoliberalen Grundkonsens der Euro-Währungsunion, dass die Zentralbanken zwar staatliche Institutionen sind, dennoch aber dem öffentlichen Sektor keinen Kredit einräumen dürfen. Die Zentralbanken dürften nicht die Wirtschaftspolitik der Regierungen exekutieren sondern in staatlich garantierter Unabhängigkeit den Interessen der Geschäftsbanken dienen. Diese, also der „freie“ Kapitalmarkt, sollten für die Finanzierung des Staates zuständig sein.

Mario Draghi, der EZB-Chef, hat das Anleihekaufprogramm nicht entwickelt, um die Staaten besser zu finanzieren. Draghi ist politisch genauso neoliberal wie die es die deutschen Bundesbanker und die drei Kläger sind. Der Leitzins bei null Prozent und das Anleihekaufprogramm der EZB sind Notmaßnahmen. Sie sind immer noch eine Reaktion auf die tiefe Wirtschaftskrise, die 2007 im Finanzsektor ihren Ausgang genommen hatte. Die Politik der EZB hat wenig bewirkt, aber doch so viel, dass viele schlechte Schuldner die Pleite vermieden haben und dass die Eurozone in der Krise noch nicht auseinandergeflogen ist. Man kann der Meinung sein, dass ein Ende des Euro mit Schrecken gut für die meisten beteiligten Länder wäre. Man kann aber schlecht die EZB, ihre heutige Zinspolitik und ihre Anleihekäufe für die krisenhafte Lage und die immer noch grassierende Geldschwemme verantwortlich machen.

In der deutschen Presse ist Kritik an der Politik Draghis beliebt. Sie wird von den Banken und Versicherungen angeführt, die die Mär von seiner Schuld am Niedrigzins verbreiten, und von der Bundesbank und ihrem Präsidenten Jens Weidmann. Ihnen allen geht, ganz wie den erzreaktionären Klägern, Markt immer vor Staat. Die Fraktionsvorsitzende der Linken Sahra Wagenknecht, hat das Bundesverfassungsgericht für die Kritik an der EZB-Politik gelobt. So rücke endlich ins Zen­trum der Diskussion, dass die EZB ihre Kompetenzen überschreite. Wagenknecht und die „Linke“ sollten nicht vergessen, dass diese vom Gericht akzeptierte Kritik von ganz rechts kommt und von der Interessenlage deutscher Finanzhäuser motiviert ist.

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"Kritik von ganz rechts", UZ vom 25. August 2017



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