Netzmülltrennung

Krümel der Plattformen

Eine Kolumne von Marlon Grohn und Tim Meier

Grohn: Wir haben wenig Platz, also: Was soll diese Kolumne? Du sagst, man sollte diese linken Influencer auf Social-Media genauer unter die Lupe nehmen …

Meier: … wo natürlich als erstes deutlich werden soll, was denn unsere Kolumne von denen unterscheidet!

G: Wahrscheinlich nicht viel, fürchte ich. Aber das wird sich mit der Zeit zeigen. Deine Reaktion auf das Netzgelaber war zunächst mal eine angewiderte.

M: Ja, ich halte das nicht mehr aus. Überall fragmentiertes und zufälliges Gelaber mit Politkitsch-Soße obendrauf, ob nun auf YouTube oder Spotify, dann noch Memes und unlesbare Storys bei Instagram oder Videos bei TikTok. Hilfe.

G: Nun, neue Produktionsmittel bringen neue Medien hervor. Kann man jetzt nicht abschaffen. Zumindest können wir schauen, was da ideologisch mit welchen Effekten so praktiziert wird. Wie gesagt, die Entwicklung solcher politischer Formate ist interessant, weil neu.

M: Spätestens mit Corona kamen ja Kanäle für jede Nische oder Niete – und was für selbsternannte Finanzbros, Hobbygourmets oder Katzenfans läuft, passt wohl auch für „libertäre“ Faschos, spirituelle Klimaretter oder linke Wohlfühl-Liberalos.

G: Aber das eine sind Influencer, das andere … Böhmermanns ohne Anstellung. Die einen sind Marktschreier mit Werbe-Deals, die anderen bieten kostenlos „Meinungen“ an, kleine Politik-Aphorismen für die Selbstbestätigung, Distinktion, Empörung oder zum Auswendiglernen und Vorzeigen.

M: Nicht ganz kostenlos, für ihre „Arbeit“ kann man zum Beispiel über Paypal spenden. Oft gibt‘s noch Erträge durch „Monetarisierung“ – Krümel der Plattformen durch Werbeanzeigen beziehungsweise Abonnenten, wenn Länge oder Aufrufzahl der Videos reichen.

G: Deswegen also immer reißerischere Titel und Überlängen, mehrmals die Woche. Inzwischen gibt es mehr Reaktionen auf Vorkommnisse als es überhaupt Vorkommnisse gibt. Wer schaut, hört und bezahlt das freiwillig? Manche bieten sogar „exklusive Inhalte“ hinter Bezahldiensten wie Patreon an.

M: Ja, so können inzwischen selbst arbeitslose „Ex“-Trotzkisten davon leben, alle zwei bis vier Tage mal zu Büchern, weltpolitischen Ereignissen, Serien, Lage der deutschen Linken oder ihre Darmflora zu labern. Und notfalls reagiert man zu ausgewählten Reaktionen auf die eigenen Inhalte.

G: Sind also diese Influencer, die man früher „Laberheinis“ oder „Haustürvertreter“ nannte, und jene politischen „Meinungsanbieter“ zumindest in der Vorgehensweise ihrer Produktion gleich?

M: Runtergebrochen scheint‘s, als würden beide nach finanzieller wie ideologischer Unabhängigkeit streben und trotzdem Anerkennung in der Szene erlangen, aber das ist mir zu simpel gedacht.

G: Wir werden das demnächst noch begrifflich präzisieren müssen.

M: Bis dahin, liebe Leser, gebt uns ein Like, lasst einen Leserbrief da, und abonniert die UZ!

G: Du spinnst.

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"Krümel der Plattformen", UZ vom 1. August 2025



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