Zum Leserbrief „Grundfalsch“, UZ vom 29. August

Mehr als falsch

Volker Metzroth, Fürfeld

Die Kernaussage von David Hoeck ist mehr als falsch. Jeschow war so wenig ein Agent der Nazis wie andere, die zum Beispiel im Verlauf der Moskauer Prozesse einzig und allein aufgrund teils mit Folter erzwungener Geständnisse, ohne jegliche Sachbeweise, verurteilt wurden. Die Darstellung, ein einzelner, hier Jeschow, könne kraft seiner „bösen“ Absichten so agieren, empfinde ich als Ausdruck eines bürgerlichen Geschichtsverständnisses, nach dem die Geschichte von „großen Männern“ gemacht wird. Und ein anderer „großer Mann“, Stalin, soll jahrelang nicht durchschaut haben, dass hier eine der größten Kommunistenverfolgungen der Geschichte betrieben wurde? Entscheidend sind die objektiven Verhältnisse, unter denen schon vor und nach Jeschow gröbste Rechtsverstöße in der UdSSR möglich wurden. „Vor dem Hintergrund eines fehlenden Vorlaufs bürgerlich-demokratischer Rechtsformen wurden, im Widerspruch zum humanistischen Wesen des Sozialismus, die Prinzipien sozialistischer Demokratie durch Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, durch Repression, durch Massenverfolgung und Verbrechen massiv verletzt.“ Soweit unser Parteiprogramm. Unser Bekenntnis zu dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte war das Ergebnis eines langen, sehr schmerzhaften Erkenntnisprozesses nach 1989, der von Robert Steigerwald mitgeprägt wurde. Da wenige Zeilen eines Leserbriefes zu den Aussagen von Hoeck nicht ausreichen, empfehle ich, Steigerwald zu lesen: „Koba, wozu brauchst Du meinen Tod?“ in der UZ vom 16. März 2018 beziehungsweise die Langfassung des Artikels aus den Marxistischen Blättern 5/2007.

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"Mehr als falsch", UZ vom 5. September 2025



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