Alaska-Gipfel: USA erkennen Russland als Großmacht an, Westeuropäer kämpfen um Berücksichtigung

NATO-Krieg verloren, Frieden möglich

Seit 2014 führte die NATO unter Führung der USA ihren ersten heißen Krieg gegen Russland. Der Versuch, den Widerstand der russischen Bevölkerung in der Ostukraine gegen den US- und EU-finanzierten Putsch von Faschisten und Nationalisten durch deren Streitkräfte rasch zu brechen und den Aufmarschraum bis zur russischen Grenze wieder zu frei zu machen, scheiterte zwar in zwei großen Kesselschlachten, aber es gelang mit den daraufhin geschlossenen Minsker Abkommen, die „Regionalmacht“ (Barack Obama) Russland hinzuhalten – bis zum Februar 2022, dem Beginn der russischen „Spezialoperation“. Bis zum zweiten Amtsantritt Donald Trumps im Januar 2025 versuchte der kollektive Westen, allen voran die USA und ihre europäischen Verbündeten, Russland militärisch zu schlagen und wirtschaftlich zu schwächen. Es bedurfte der speziell beschränkten deutschen Außenministerin Annalena Baerbock und ihres „Slawa Ukraini!“, also „Sieg Heil!“-Kanzlers Olaf Scholz, um sich den Ruin des größten Landes der Erde vorzunehmen.

Das ist gescheitert. Nicht einmal die Sanktionen, die Donald Trump Handelspartnern Russlands wie China oder Indien androhte, beeindruckten einen der drei Staaten. Am 15. August 2025 wurde beim Gipfel Trump-Putin in Alaska auch die militärische Niederlage von den USA faktisch akzeptiert. Der US-Präsident empfing seinen russischen Amtskollegen nicht nur demonstrativ als Gleichgestellten, sondern erklärte auch in einem Interview auf „Fox News“ nach dem Treffen: „Es ist gut, wenn sich zwei Großmächte verstehen, insbesondere wenn es sich um Atommächte handelt. Wir sind die Nummer eins, sie sind die Nummer zwei in der Welt – und das ist eine große Sache.“ In Moskau wiederholte Putin nach seiner Rückkehr bei einer Beratung mit der politischen Führung Russlands am Samstagabend, was er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump in Anchorage bereits gesagt hatte: „Wir haben seit langem keine direkten Verhandlungen dieser Art auf einer solchen Ebene mehr geführt.“

Die Anerkennung der militärischen, wirtschaftlichen und politischen Stärke oder sogar Gleichrangigkeit öffnet nach den Worten beider Präsidenten den Weg zu einem Kriegsende. So erklärte Putin in Anchorage, sie hätten „sehr gute Geschäftsbeziehungen und vertrauensvolle Kontakte aufgebaut“. Und weiter: „Und ich habe allen Grund zu der Annahme, dass wir auf diesem Weg – je früher, desto besser – eine Lösung des Ukraine-Konflikts erreichen können.“ Die russisch-amerikanischen Beziehungen seien in den letzten Jahren „auf den Tiefpunkt seit dem Kalten Krieg“ gesunken, und es sei notwendig, „die Situation zu korrigieren und von der Konfrontation zum Dialog überzugehen“. Das bezieht, wie TASS berichtete, auch Gespräche über das strategische Atomwaffenarsenal ein.

Trump, der noch auf dem Flug nach Alaska vor Journalisten als Ergebnis des Gipfels einen Waffenstillstand in der Ukraine ankündigte, verlor darüber auf der Pressekonferenz kein Wort, befand aber, er und Putin hätten „großartigen Fortschritt“ gemacht. Sanktionen oder Ultimaten erwähnte er nicht mehr. Auf seiner Plattform „Truth social“ schrieb er nach Gesprächen mit Wladimir Selenski sowie westeuropäischen Staats- und Regierungschefs am Samstag, der „beste Weg“ für ein Ende des Krieges bestehe darin, „direkt zu einem Friedensabkommen zu gelangen“ – „und nicht nur ein Waffenruheabkommen, das oft nicht eingehalten wird“. Dies sei „von allen festgestellt“ worden.

Den EU- und NATO-Verbündeten, die mit Ausnahme Ungarns und der Slowakei bis zum Freitag auf bedingungslose Kriegsverlängerung gedrängt hatten, blieb nur, gute Miene zum Bankrott der eigenen Ukraine- und Russlandpolitik zu machen. Noch am Mittwoch hatte zum Beispiel Bundeskanzler Merz im Beisein Selenskis in Berlin gefordert, eine Waffenruhe müsse „am Anfang“ der Verhandlungen stehen und das zur ersten von fünf Bedingungen für den Gipfel gemacht. Am Samstag nahm Merz einen rasanten Kurswechsel vor und erklärte in verschiedenen Fernsehinterviews, Trump habe in der Videoschalte nach dem Gipfel zugesagt, „dass Amerika bereit ist, Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu geben“. Er bezeichnete dies als „wirklich großen Fortschritt“ und „positive Überraschung“: „Amerika bleibt an Bord, auch für die Zeit danach“. Nach Angaben der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni soll es dabei um „von Artikel fünf der NATO inspirierte“ Beistandsgarantien handeln, wobei die Ukraine dem Militärbündnis nicht beitreten soll. Anders als Trump drohten die Europäer erneut mit weiteren Sanktionen gegen Russland und Fortsetzung der militärischer Unterstützung für die Ukraine.

Merz betonte zudem im ZDF: „Russland scheint bereit zu sein, entlang der sogenannten Kontaktlinie die Verhandlungen zu führen und nicht entlang der Verwaltungsgrenzen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.“ Trump sei jedenfalls in territorialen Fragen bei der vereinbarten Linie geblieben.

Nach dem Gipfel und dem Gespräch mit Trump setzte vor allem in Berlin hektische Betriebsamkeit ein. Am Samstagvormittag unterrichtete Merz das Bundeskabinett über das Desaster des „Zeitenwende“-Kurses. Anschließend veröffentlichten die Teilnehmer an dem Gespräch mit Trump – Emmanuel Macron, Meloni, Merz, Keir Starmer, Alexander Stubb, Donald Tusk, António Costa und Ursula von der Leyen – angeblich auf Betreiben von Merz eine gemeinsame Erklärung, in der von einem Waffenstillstand als erster Bedingung keine Rede mehr ist, aber die Friedensbemühungen Trumps begrüßt werden. Zugleich drohen die Europäer mit weiteren Sanktionen gegen Russland. Etwas später ließ sich Merz von RTL/ntv, ZDF und ARD interviewen und kündigte dabei für Sonntag eine Videokonferenz der „Koalition der Willigen“ an. Für Montag hat Trump Selenski ins Weiße Haus eingeladen, laut „New York Times“ auch westeuropäische Staats- und Regierungschefs.

Die meisten westlichen Medien und notorische Kriegshetzer wie Roderich Kiesewetter oder die frühere NATO-Funktionärin Stephanie Babst bekamen von der neuen Lage nichts mit und spulten am Samstag die bislang vorgegebenen Propagandaphrasen ab. Sie stuften das Treffen in Alaska als „viel Lärm um nichts“ (ARD-Korrespondentin Gudrun Engel) oder als „unbezahlbares Geschenk für Putin“ (FAZ-Herausgeber Berthold Kohler) ein, sprachen von einem „schwarzen Freitag“ (Kiesewetter) oder von Verrat: „Amerika hat die Seiten gewechselt“ (Babst). Die Realität wird sich – wie stets und wie in Anchorage – unabhängig vom Gedöns durchsetzen.

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