Kärnten: Brutaler Polizeiüberfall auf Antifa-Camp

Revanchistischer Racheakt

Etwa 30 Polizisten haben am Sonntag ein antifaschistisches Camp auf dem Peršmanhof im österreichischen Kärnten gestürmt. Einsatzkräfte der Dienststelle Völkermarkt der Landespolizeidirektion Kärnten rückten gegen 11 Uhr zusammen mit Vertretern der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sowie Beamten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl an, um die Identitäten der über 60 Camp-Teilnehmer festzustellen – mit sieben Fahrzeugen, einem Hubschrauber, Drohnen und einer Polizeihundestaffel.

Das Camp fand vom 24. bis zum 27. Juli statt und widmete sich den Themen Erinnerungskultur, der aktuellen politischen Lage, dem Rechtsruck in Europa und der Frage, wie eine soziale und ökologische Zukunft aussehen kann. Mehr als 60 überwiegend junge Menschen nahmen daran teil. Das Camp fand zum zweiten Mal statt. Es wird vom Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju/Klub der slowenischen Studierenden in Wien (KSŠŠD) veranstaltet. Im April war es mit dem Ernst-Kirchwegger-Preis für antifaschistische Jugendbildungsarbeit ausgezeichnet worden. Dieser Preis wird vom österreichischen KZ-Verband gestiftet, der Mitglied in der Fédération Internationale des Résistants (FIR) ist.

Der Peršmanhof ist ein ehemaliger Partisanenstützpunkt. Am 25. April 1945 stürmten Angehörige einer SS-Division den Hof und ermordeten dort elf Mitglieder der zwei dort wohnenden Familien Sadovnik und Kogoj. Sieben der Opfer waren Kinder. Das jüngste Kind war nur wenige Monate alt. Überlebende Mitglieder der Familie Sadovnik stellten den Hof später für historische Forschung und Aufarbeitung zur Verfügung. Seit 2012 ist der Peršmanhof ein Museum, das sich schwerpunktmäßig der Verfolgung und dem Widerstand der Kärntner Slowenen widmet. Das Museum Peršman unterstützt das Antifa-Camp des KSŠŠD.

524509127 738964552063027 7154804688823347730 n Web - Revanchistischer Racheakt - Bernard Sadovnik, FIR, Kärnten, KPÖ Kärnten, KSŠŠD, Nikolaj Orasche, Peršmanhof, Rudi Vouk, Ulrich Schneider - Blog, Internationales
UZ-Autorin Anne Rieger besuchte die Gedenkstätte am Tag vor dem Polizeiüberfall. (Foto: privat)

Einem Bericht des Online-Magazins „Novi Glas“ zufolge ist unklar, welche staatliche Stelle den Angriff auf das Antifa-Camp befohlen hat. Der vom Antifa-Camp hinzugezogene Rechtsanwalt Rudi Vouk berichtete, der Einsatzleiter Gerold Taschek vom Landesamt für „Staatsschutz“ und „Extremismusbekämpfung“ sei auf eine juristische Befragung vorbereitet gewesen. Taschek habe ausgedruckte Dokumente mitgeführt und eine Begründung für das Vorgehen der Polizei parat gehabt. Begründet wurde der brutale Angriff mit „mutmaßlichen Übertretungen in den Bereichen des Campinggesetzes und Naturschutzes“, sagte Vouk. Zudem sei „argumentiert“ worden, unter dem Namen „Antifa“ sei europaweit eine Organisation bekannt, zu der auch teilweise gewaltbereite extremistische Personen zählten. Taschek habe den Einsatz weiter damit gerechtfertigt, das antifaschistische Bildungscamp stelle einen „sittenwidrigen Umgang“ mit der Gedenkstätte dar.

„Meiner Meinung nach war das eine von langer Hand geplante Aktion mit dem Ziel, Jugendliche, die das antifaschistische Gedenken kultivieren, einzuschüchtern“, schätzt Anwalt Rudi Vouk ein. Wer verantwortlich dafür sei, müsse mittels einer parlamentarischen Anfrage an das österreichische Innenministerium ermittelt werden. Der Rechtsanwalt hält Strafanzeigen gegen die eingesetzten Polizeibeamten wegen Amtsmissbrauchs für angebracht. „Die Polizei darf vieles, aber sie darf nicht alles. Sie darf das antifaschistische Fundament unseres Landes nicht mit Füßen treten.“

Die Polizei behauptete in einer Pressemitteilung, sämtliche anwesenden Personen hätten ihre Verpflichtung verweigert, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken. Aussagen von Teilnehmern des Antifa-Camps legen nahe, dass die Polizei lügt. Die Beamten verhafteten drei der Teilnehmer. Ein Teil der Teilnehmer versteckte sich erschreckt im Museum Peršman. Ein Teilnehmer wurde verletzt, als Einsatzkräfte die Tür öffneten. Der Verletzte musste ambulant versorgt werden. Der Einsatz dauerte viereinhalb Stunden.

Auch talabwärts in Leppen kontrollierten Polizisten Menschen, die aus Richtung des Peršmanhofs kamen. Dem Bericht von „Novi Glas“ zufolge hielten sie dort Nikolaj Orasche auf, den Sekretär des Verbands der Kärntner Partisanen/Zveza koroških partizanov. Als Orasche auf einem zweisprachigen Vorgang beharrt – in der zweisprachigen Gemeinde steht ihm das Recht darauf zu –, sollen die Beamten behauptet haben, niemand von ihnen spreche Slowenisch. Orasche soll dann nach den Dienstnummern der Beamten gefragt haben. Als die sich rechtswidrigerweise weigerten, soll er weggefahren sein. Die Beamten sollen ihm dann gefolgt sein, ihn aufgehalten und aus seinem Auto gezerrt haben. Orasche soll dann festgenommen worden sein.

An dem Polizeiüberfall soll der Völkermarkter Bezirkshauptmann Gert-Andre Klösch beteiligt gewesen sein. Der Behördenleiter soll über Jahre hinweg ein regelmäßiges Treffen von Ustascha-Faschisten in Bleiburg ermöglicht haben.

Bernard Sadovnik, Nachfahre der Familie Sadovnik, zeigte sich entsetzt über den Einsatz. „Als Nachfahre der Peršman-Familie und als Vertreter der slowenischen Volksgruppe bin ich zutiefst erschüttert darüber, was heute am Peršmanhof passiert ist. So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf. Ich bin ohne Worte und von den Gesprächen mit den jungen Menschen vor Ort zutiefst betroffen. Der Polizeieinsatz stand in keiner Relation mit den Vorwürfen. Ich fordere eine sofortige lückenlose politische Aufarbeitung dieses skandalösen Vorfalls und seiner Hintergründe.“

Die KPÖ Kärnten verurteilte das Vorgehen der Polizei scharf. Der polizeiliche Übergriff sei ein Racheakt der Hüter der erinnerungspolitischen Kärntner Nacht. Die Republik Slowenien forderte die österreichischen Behörden auf, die Polizeiaktion transparent zu untersuchen und glaubwürdig und umfassend aufzuklären. FIR-Generalsekretär Ulrich Schneider schrieb in einem Offenen Brief an Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker: „Wir erwarten eine öffentliche Entschuldigung für diesen Übergriff und zukünftig eine wertschätzende Förderung dieser Gedenk- und Erinnerungsarbeit.“

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