Vor 30 Jahren wurde in Burkina Faso die Alternative für Afrika weggeputscht

Sankara wies den Weg

Von Georges Hallermayer

Am 15. Oktober 1987 wurden der Staatspräsident von Burkina Faso, Thomas Sankara, und zwölf seiner Offiziere von anderen hochrangigen Militärs ermordet. Aber „sein Traum der Emanzipation des burkinischen Volkes“ ist nicht „mit seiner Ermordung vor 30 Jahren gestorben“, wie „Le Monde Afrique“ titelt. Nicht nur auf T-Shirts, Postern und Aufklebern ist er in der Hauptstadt Ouagadougou allgegenwärtig. Für die unruhige Jugend Afrikas bleibt er ein Vorbild.

Sein Kampfgefährte Blaise Compaoré hatte die Seiten gewechselt und nach der Ermordung Sankaras dem französischen Neokolonialismus bis 2014 gedient, bis ihn der Volkszorn daran hinderte, für ein fünftes Mandat die Verfassung zu ändern. Französische Truppen retteten ihn ins „vergoldete“ Exil nach Côte d‘Ivoire. Seine „rechte Hand“ General Gilbert Diendéré wartet im Lande selbst auf ein Gerichtsverfahren, das Licht bringen soll in die Verwicklungen bei der Ermordung Sankaras, aber auch den Putschversuch nach der Abdankung Compaorés.

Selbst in den 27 Jahren als Staatspräsident konnte Compaoré Thomas Sankara nicht vergessen machen. Dabei blieben Sankara und seinen Mitstreitern nur etwa vier Jahre, von 1983 bis 1987, das Land aus der Abhängigkeit zu befreien. Obervolta wurde in „Burkina Faso“ umbenannt, Land „aufrechter Menschen“. Nach kubanischem Vorbild übten CDRs, Komitees zur Verteidigung der Revolution, mit der mobilisierten Bevölkerung die politische Macht aus. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln lag in den Händen einer nationalen Ladenkette. Die CDR führten Kampagnen zur Gleichstellung der Frau und zur Alphabetisierung und erhöhten in kurzer Zeit die Alphabetisierungsrate von 12 auf 22 Prozent. Vorsorge-Impfungen schützten 2,5 Millionen Kinder. „Die Bäume retten, die Umwelt, das Leben schlechthin“ – Thomas Sankara konnte 1986 auf der Umweltkonferenz Sylva über die ersten Erfolge von Umweltkampagnen berichten. Familien in den Dörfern übernahmen die Verpflichtung, 100 Bäume anzupflanzen. Der Bezug von Sozialwohnungen war strikt an die Bedingung geknüpft, Bäume zu pflanzen und sich um sie zu kümmern.

Die wirtschaftliche Strategie der Regierung Sankaras zielte auf die Entwicklung der nationalen Produktion und Unabhängigkeit. „Lasst uns in Afrika produzieren, verarbeiten und verbrauchen“, dieser panafrikanischen Vision der Industrialisierung nähert sich der Kontinent erst heutzutage in einem von China angeschobenen Infrastruktur-Investitionsschub.

Thomas Sankara verweigerte dem Weltwährungsfonds IWF, der die neoliberale Politik der Strukturanpassungsreformen übernommen hatte, die Gefolgschaft und plädierte im Juli 1987 auf dem OAU-Gipfel, dem Vorgänger der Afrikanischen Union, in Addis Abeba für eine „panafrikanische Einheitsfront“. Muss erwähnt werden, dass während der Präsidentschaft Sankaras das Land nicht einen Dollar „Hilfe“ erhielt, weder von Frankreich noch von internationalen Institutionen? „Wenn Burkina Faso sich alleine weigert, die Schulden zu bezahlen, werde ich bei der nächsten Konferenz nicht hier sein“ – dieser „testamentarischen“ Rede Sankaras folgte zwar ein weiterer Gipfel, der 3. außerordentliche Gipfel zur Verschuldung Afrikas in der damaligen Höhe von 200 Mrd. Dollar. Aber trotz der 7-Punkte-Erklärung mit der Forderung nach Tilgungserleichterungen, Umschuldungsmaßnahmen und Preiserhöhungen für Rohstoffe blieben die afrikanischen Staaten in neokolonialer Abhängigkeit. Nur noch der Gipfel 1988, auf dem noch 29 Staatschefs die Probleme der Umschuldung berieten, widmete sich dem Thema. Von den 48 ärmsten Ländern auf der UNO-Liste liegen 34 auf dem afrikanischen Kontinent. Die französische Kolonialwährung Franc-CFA ist bis heute an den Euro angebundene Währung in 14 Staaten in Zentralafrika und Westafrika, wird aber zunehmend kritisiert. Das „Für und Wider“ eines „Afrexit“, des Ausscheidens aus einem der beiden Währungsverbünde scheint nicht mehr ausgeschlossen.

Aber imperialistische Mechanismen wie Preismanipulationen für Rohstoffe greifen nach wie vor: Die Ölpreissenkung ist nur das augenfälligste Beispiel oder das Diktat der Rating-Agenturen, von dem nicht nur die kapitalistische Investitionsneigung, sondern auch die Kreditwürdigkeit abhängt. Die vom IWF, der Weltbank oder der Welthandelsorganisation erzwungenen Strukturanpassungsreformen – begleitet von direkter Einmischung vermittelst „Geber“-Geldmacht oder militärischer Besatzungsmacht, sei es in Ausbildungs- oder sonstiger Funktion – dürfen nicht unerwähnt bleiben wie auch die sogenannten Freihandelsabkommen wie die APE der Europäischen Union oder AGOA der USA, die den Abfluss afrikanischer Rohstoffe zu sichern hilft und im Gegenzug den afrikanischen Markt aufreißt, um den Aufbau einer lokalen verarbeitenden Industrie zu sabotieren. „Made in Africa“ bleibt weiterhin rar …

Wo gibt es Impulse zur fortschrittlichen Veränderung? Nur einige Schlaglichter: Wenn man die Wirtschaftsnachrichten verfolgt, ist generell eine Tendenz afrikanischer Regierungen festzustellen, zum Beispiel die multinationalen Bergwerkskonzerne mehr in die Pflicht zu nehmen, sei es auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (z. B. in Ghana, Sambia zum Umweltschutz) oder Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten zu pochen (Kamerun wegen Einstellung lokaler Arbeitskräfte, Bau von Wohnungen, Straßen) oder Steuer- und Abgabeverpflichtungen nachzuverhandeln. Das 60-Milliarden-Programm des sino-afrikanischen Forums (FOCAC) 2015 versetzte mehrere afrikanische Länder in die Lage, die Verkehrs-Infrastruktur zu entwickeln, Wirtschaftszonen einzurichten und die lokale Industrie aufzubauen. Kredite der BRICS-Bank, die ohne politische Bedingungen vergeben werden, werden sich mittelfristig positiv auswirken. Der panafrikanischen Vision Thomas Sankaras „Afrika den Afrikanern“ gesellt sich die globale Vision der „Seidenstraßen-Initiative“ der Volksrepublik China zur Seite.

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"Sankara wies den Weg", UZ vom 20. Oktober 2017



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