DKP bereitet ihren 26. Parteitag vor und orientiert die Partei auf den Kampf gegen Militarisierung und Krieg

„Sie wollen unsere Söhne, Töchter und Enkel“

In zwei Wochen findet der 26. Parteitag der DKP statt. Die UZ-Redaktion sprach mit Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, über die Aufgaben des Parteitages und seine Erwartungen.

UZ: Vom 20. bis 22. Juni findet in Frankfurt am Main der 26. Parteitag der DKP statt. Das zentrale Dokument, das beschlossen werden soll, ist eine Handlungsorientierung „Kriegstüchtig – ohne uns. Wir kämpfen um Heizung, Brot und Frieden. Wir stärken die DKP!“ Der Kampf gegen Militarisierung und Kriegspolitik soll demnach im Mittelpunkt der Arbeit der kommenden vier Jahre stehen. Warum für einen so langen Zeitraum?

Patrik Köbele: Die Herrschenden sprechen davon, dass sie 2029 kriegsfähig sein wollen, also in vier Jahren. Wir sagen, das ist unsere Zeit, um das zu verhindern. Natürlich wird auch der 27. Parteitag, der vermutlich 2027 stattfindet, seine souveränen Entscheidungen treffen. Wir gehen aber davon aus, dass die Grundlinie, die sich gegen diese Kriegspolitik richtet, mindestens für die kommenden vier Jahre gilt.

Der Imperialismus insgesamt, aber auch die Herrschenden in Deutschland bereiten sich auf eine große Auseinandersetzung mit China und Russland vor. Deutschland, die EU und Großbritannien fokussieren sich dabei auf Russland und auf das enger werdende Bündnis zwischen Russland und China. Dafür soll Deutschland in die Lage versetzt werden, einen Krieg zu führen. Sie nennen das Kriegstüchtigkeit. Dazu gehören immense Hochrüstung, Wehrpflicht, neue Raketen, eine eigene, hochentwickelte Rüstungsproduktion und eine Bevölkerung, die das mitmacht. Für das Letztere braucht man Propaganda, ein entsprechendes Schul- und Bildungswesen, Repressionsmöglichkeiten, Russophobie und China-Bashing.

UZ: Was sind Schwerpunkte innerhalb dieser Orientierung?

Patrik Köbele: Auf dem Weg zur Kriegsfähigkeit gibt es Meilensteine, einer davon ist die ab 2026 geplante Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Das sind Erstschlagwaffen, die unser Land noch mehr zum wahrscheinlichen Schlachtfeld eines Krieges machen würden. Gegen diese Stationierung kämpfen wir aktuell und über den Parteitag hinaus mit dem Berliner Appell. Ein anderer Meilenstein wird die Frage der Wehrpflicht. Sie wollen und brauchen unsere Söhne, Töchter und Enkel als Kanonenfutter, das müssen wir verhindern.

Zentral ist aber auch die soziale Frage. Wir sollen den Kriegskurs mit hunderten von Milliarden Euro, ja mit Billionen Euro zahlen, die sie aus uns rausquetschen. Dass das nicht richtig sein kann, merken immer mehr Menschen, aber sie werden noch nicht aktiv gegen diesen Raubzug.

UZ: Den Zusammenhang von Kriegspolitik und Sozialabbau zu vermitteln, das gehört zur Hauptaufgabe, die die DKP sieht: Die Arbeiterklasse aus dem Kriegs- und Krisenkurs lösen. Wagst du eine Zwischenbilanz?

Patrik Köbele: Erstmal müssen wir festhalten, dass den Herrschenden die Einbindung der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in den NATO-Kriegs- und -Krisenkurs recht weitgehend gelungen ist. Dem dient auch die neuerliche Einbindung der SPD in die Regierungsgeschäfte unter Merz. Die Friedenskräfte, auch die in den Gewerkschaften, sind noch in der Defensive. Auf der anderen Seite bröckelt manches und nicht alles, was sich die Herrschenden erhoffen, gelingt ihnen.

230801 Koebele - „Sie wollen unsere Söhne, Töchter und Enkel“ - 26. Parteitag der DKP, DKP, Patrik Köbele - Hintergrund
Patrik Köbele

Versuche, die Gewerkschaftsjugend in die Strategie zur Wehrpflicht einzubinden, gingen schief. Manche Gewerkschaftsgremien unterstützen den Berliner Appell. Im Tarifkampf des öffentlichen Dienstes wurde der Zusammenhang von Hochrüstung und angeblich leeren Kassen immer stärker thematisiert. Auch die Vernetzung der Friedenskräfte in den Gewerkschaften nimmt zu. Hier hat sicher die 3. Gewerkschaftliche Konferenz im Juli in Salzgitter eine große Bedeutung. Auf der anderen Seite gibt es, vor allem auf der Führungsebene der Gewerkschaften, große Illusionen in die Kriegskredite, die der abgewählte Bundestag noch als „Innovationspaket“ beschlossen hat. Was da im Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrswesen ankommt, wird nicht den Menschen dienen, sondern der Kriegsfähigkeit. Diese Einsicht muss in den Gewerkschaften erst noch geschaffen werden, da ist viel Kleinarbeit gefordert.
Wenn ich also eine Zwischenbilanz ziehe: Wir stehen erst am Anfang des Kampfes, die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung aus diesem Kriegskurs herauszuholen. Dass es möglich ist, das ist eine Erfahrung aus dem langen Kampf um eine starke Friedensbewegung in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

UZ: Um hier Erfolge zu erzielen, braucht es auch die Verankerung von Kommunistinnen und Kommunisten in der Klasse. In diesem Sinne knüpft die Handlungsorientierung an den Beschluss „Für Heizung, Brot und Frieden – In der Klasse wirken“ an. Da gibt es kleine Fortschritte, oder?

Patrik Köbele: Das kann man wohl sagen. Beispiele sind die Aktivitäten zum 80. Jahrestag der Befreiung. Wir hatten auf dezentrale Aktivitäten orientiert und die Partei hat das hervorragend umgesetzt. Herausragend sicher die Aktivitäten in Berlin oder Hamburg, toll aber auch der Erfolg der Genossinnen und Genossen in Hagen. Vielfach wurden wir gemeinsam mit dem „Unsterblichen Regiment“, also den Angehörigen und Nachkommen der sowjetischen Befreierinnen und Befreier aktiv. Ein anderes Beispiel: Wir hatten uns zum Ziel gesetzt bis zum Parteitag 10.000 Unterschriften für den Berliner Appell zu sammeln. Diese Zielsetzung haben wir mit 16.000 Unterschriften bereits weit überschritten.

Das wird sicher auch den Erfahrungsaustausch auf dem Parteitag prägen. Wir wissen, dass dieser Teil des Parteitags in den Gruppen, Kreisen und Bezirken intensiv vorbereitet wird. Es geht ja nicht nur um das Darstellen von Erlebtem, sondern um den Versuch, daraus Verallgemeinerbares abzuleiten, Positives wie Negatives. Wir haben das auf dem Parteitag in drei Blöcke eingeteilt: Den Kampf in Betrieb und Gewerkschaft, den Kampf in den Kommunen und die Erfahrungen in der Bündnispolitik, vor allem im Friedenskampf. Wir wissen, dass die Partei hier vielfältige Erfahrungen hat, und die wollen wir austauschen, um unser Eingreifen in die Kämpfe, also vor allem den Friedenskampf und die Klassenkämpfe, zu verbessern. Wir wollen und werden voneinander lernen.

Einen kleinen Erfolg, den wir aber sehr hoch bewerten, können wir auf dem Parteitag auch feiern. Kürzlich haben sich zwei Betriebsgruppen der Partei neu gegründet, eine bei der Post in Kassel und eine bei der Bahn in Berlin. Damit wird auch deutlich, wir führen die Orientierung für die stärkere Verankerung in der Arbeiterklasse, die der vergangene Parteitag erarbeitet hat, weiter.

UZ: Zur Handlungsorientierung sind etwa 320 Änderungsanträge eingegangen. Kannst du sie einordnen?

Patrik Köbele: Das Wichtigste ist, die Anträge zeigen, dass die Partei sich intensiv mit der Handlungsorientierung beschäftigt hat und dass die Partei an einem Strang zieht. In der Vergangenheit haben wir als Partei häufig viel Richtiges beschlossen, was für die Mehrheit der Gliederungen aber noch nicht umsetzbar war. Mit dieser Handlungsorientierung wollen wir vor allem im organisationspolitischen Teil berücksichtigen, dass der Zustand der Gliederungen sehr unterschiedlich ist. Einige Anträge machen Vorschläge, die aus unserer Sicht die Strukturen insgesamt überfordern, auch wenn sie für einige Gruppen richtig und machbar sind. Hier schlägt die Antragskommission vor, diese an den Parteivorstand zu überweisen, damit sie in der weiteren Entwicklung nicht verloren gehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine durch die Partei qualifizierte Handlungsorientierung mit großer Einmütigkeit beschließen werden. Wichtiger noch, nach dem Parteitag werden wir dann gemeinsam um die Umsetzung kämpfen.

UZ: Ein Ziel des Parteitags ist die Vertiefung der Analyse des deutschen Imperialismus. Wie geht ihr daran?

Patrik Köbele: Wir haben beim vergangenen Parteitag unsere Analyse der internationalen Entwicklung, des Kräfteverhältnisses und des Imperialismus im globalen Maßstab präzisiert. Wir haben uns mit der Epochenbestimmung und den unterschiedlichen Abschnitten in der Epoche beschäftigt. Da macht es nun Sinn, die Analyse des deutschen Imperialismus zu schärfen. Wir registrieren immer wieder, dass sich Fehler in der Analyse verheerend auf die Strategie und Taktik auswirken. Schnell landet man beim Moralisieren oder im Sektierertum.

Beim Parteitag wollen wir diese Analyse vor allem mit der Diskussion zum Referat schärfen. Diese Diskussion hat die Partei in fast allen Gliederungen mit Debatten zu den Leitgedanken vorbereitet, die wir dazu in die Gliederungen gegeben hatten.

UZ: Die Leitgedanken „Zeitenwende des Imperialismus“ sollen nicht beschlossen werden. Das hat zum Teil für Verwirrung gesorgt …

Patrik Köbele: Wir sehen die Leitgedanken als ein Mittel zur kollektiven Parteitagsvorbereitung. Ein wesentlicher Grund, jetzt keinen Beschluss zu fassen, ist die Dynamik der Entwicklung. Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich. Als wir die Leitgedanken formulierten, hielten wir zu Recht fest: „Die gemeinsame Machterhaltung des Imperialismus verdeckt die sich dadurch verstärkenden innerimperialistischen Widersprüche.“ Heute treten diese Widersprüche im Verhältnis USA/EU oder USA/Deutschland recht offen zu Tage. Die Debatten, die die Partei geführt hat, haben heute schon zu manchen Präzisierungen geführt. So haben wir erkannt, dass es im Zusammenhang mit den reaktionär-militaristischen Entwicklungen zu kurz greift, vom „Staatsumbau“ zu reden, wir sprechen heute vom Gesellschaftsumbau. Wir sind sicher, dass Referat und Parteitagsdebatte uns helfen werden, die Analyse weiter zu schärfen.

UZ: Neben einem Antrag zur Solidarität mit dem sozialistischen Kuba wird es auch einen Antrag zur Solidarität mit Palästina geben. Was soll er beinhalten?

Patrik Köbele: Der proletarische Internationalismus ist ein Wesensmerkmal unserer Partei. Kuba und der Sozialismus auf Kuba sollen mit der mörderischen Blockade zerschlagen werden, indem das kubanische Volk als Geisel genommen wird. Seit über 60 Jahren kämpft dieses Volk heldenhaft, auch dank der tiefen Verankerung der kommunistischen Partei im Volk. Das ist die Vo-raussetzung für die weitere sozialistische Entwicklung in Kuba. Deshalb werden wir ein weiteres Projekt beschließen, um die Arbeit unserer Schwesterpartei in Kuba zu unterstützen.

Zum proletarischen Internationalismus gehört natürlich auch die Solidarität mit dem palästinensischen Volk und seinem Kampf. Was Israel da seit Wochen macht, ist noch einmal eine Eskalation der völkermörderischen Politik. Die Menschen in Gaza hungern und verhungern und werden mit Bombardierungen und Bodentruppen aus einem zerstörten Teil Gazas in den anderen getrieben. Das ist eklatanter und vielfacher Bruch des Völkerrechts, so schlimm, dass noch nicht einmal die Bundesregierung davor länger die Augen verschließen kann. Trotzdem faseln sie von einer angeblichen Staatsräson, die sich aus der Geschichte ergäbe. Aus der Geschichte ergibt sich, dass wir aufstehen müssen gegen Völkermord und für Solidarität mit unterdrückten Völkern. Wir wollen mit einem Beschluss des Parteitags helfen, mehr Solidarität mit dem Volk von Palästina auf die Straße zu tragen, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, sofort die Waffenlieferungen und die Unterstützung dieser Politik Israels einzustellen.

UZ: Der Parteitag wird auch eine neue Führung wählen. Du wirst erneut als Vorsitzender der DKP kandidieren. Bist du guter Dinge, was die Parteientwicklung angeht? Wo siehst du die größten Schwächen?

Patrik Köbele: Natürlich ist die Partei für die anstehenden Herausforderungen nicht stark genug. Natürlich brauchen wir mehr Mitglieder, mehr Gruppen der Partei, vor allem auch in Ostdeutschland, eine jüngere Partei, die besser in der Arbeiterklasse verankert ist. Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht einfach. Der Imperialismus setzt auf Krieg. Er hat ein ausgeklügeltes Konzept von Integration und Repression. Alles, was den herrschenden Narrativen widerspricht, wird ausgegrenzt. Deshalb erwarte ich leider keine großen Sprünge in der Parteientwicklung, obwohl wir sie bräuchten. Zuversichtlich bin ich aber, was den schon laufenden Generationswechsel in unseren Führungen angeht. Hier haben wir tatsächlich, bei aller Schwäche, einen Vorteil. Wir haben mit der SDAJ eine tolle Jugendorganisation an unserer Seite, mit der wir eine sozialistisch/kommunistische, eine proletarische Kampfgemeinschaft bilden. Bei aller Übermacht des Imperialismus – einfach machen wir es ihm nicht.

Live-Ticker der UZ
Die Dokumente des 26. Parteitages gibt es im Mitgliederbereich von dkp.de.
Auch von diesem DKP-Parteitag berichtet UZ im Live-Ticker.

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"„Sie wollen unsere Söhne, Töchter und Enkel“", UZ vom 6. Juni 2025



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