Zur Debatte um Nord Stream

Sprechverbote

Als der Ministerpräsident von Sachsen, der der CDU angehört, den Vorschlag wagte, zum beiderseitigen Nutzen die Lieferung von Gas aus Russland in begrenztem Umfang wiederaufzunehmen, wurde er vom Grünen-Vorsitzenden Felix Banaszak umgehend persönlich angegangen: „Selbst für seine Verhältnisse ist das schon ein überdurchschnittlich dummdreister Vorschlag.“

Fast zeitgleich meldete sich Gerhard Schröder in einem Brief an den Nord-Stream-Untersuchungsausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern zu Wort und teilte mit, ihm sei schon als Kanzler klar gewesen, dass Deutschland seine Industrie nur durch günstige Gasimporte wettbewerbsfähig halten könne. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe diesen Kurs fortgesetzt und auf Gas als Brückenenergie gesetzt. „Das war stets rational und für Deutschland vorteilhaft und diese Entscheidungen wurden nicht durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine falsch“, schrieb Schröder.

Darauf reagierte die „Bild am Sonntag“ nicht etwa inhaltlich, sondern ausgewalzt auf über zwei Druckseiten mit der Titelzeile, „sein Gesundheitszustand ist (…) viel dramatischer als bisher bekannt“. Darunter folgte der Verweis auf Aufenthalte in einer auf psychiatrische Erkrankungen spezialisierten Privatklinik und schließlich der Hinweis, dass Freunde, die ihren Namen nicht nennen wollten, meinten, „dass Gerhard nicht mehr weiß, was er tut“.

Der Geist darf nicht aus der Flasche. Jede Diskussion über die Zukunft der deutschen Energieversorgung und eine Kooperation zwischen dem deutschen und dem russischen Volk muss unbedingt vermieden werden. Das ist die oberste Leitlinie der herrschenden Politik und der herrschenden Medien in diesem Land.

Gegenüber Kommunistinnen und Kommunisten und anderen Kräften der Vernunft wird diese Generallinie durch Totschweigen umgesetzt. Da dies bei Ministerpräsidenten oder Altkanzlern jedoch schwer durchzuhalten ist, wird bei ihnen unter die Gürtellinie geschlagen, um sie zum Schweigen zu bringen. „Halt’s Maul!“ ist die Devise dieser antirussischen Einheitsfront, die von Teilen der Partei „Die Linke“ über die Grünen bis in das Regierungslager von CDU/CSU und SPD reicht.

Dagegen hilft nur Hartnäckigkeit – letztlich wird die Vernunft der Kooperation die Unvernunft der Konfrontation besiegen.

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"Sprechverbote", UZ vom 6. Juni 2025



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